Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher! (Julia) (German Edition)
betrachtete sie das Foto. Die beiden Jungen standen an einem Strand; sie trugen Shorts, hatten nackte Oberkörper. Hinter ihnen dehnte sich leuchtend blau das Meer. Sie hielten sich bei den Schultern und lachten in die Kamera. Es war der Ältere, der wie Charlie aussah; der Jüngere musste sechs oder sieben sein. Ein Schneidezahn fehlte, die Haare waren schwarz und gelockt, die Augen hellgrün. Diese Augen kannte sie …
Langsam hob Daisy das Gesicht. „Das bist du …“ Sie sprach so leise, dass sie nicht sicher war, ob er sie verstanden hatte. „Und das hier ist dein Bruder.“
Alex nickte. Der kleine Muskel an seiner Schläfe pochte. „Ja, das ist Vassilios.“
Der Bruder, den er über alles geliebt hatte. Sein Idol. Der Sohn, dessen Tod eine glückliche Familie zerstört hatte. Und Charlie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten …
Lieber Gott, was für ein Schock hat die Begegnung mit Charlie für ihn sein müssen!
Auf der Straße raste ein Feuerwehrwagen mit heulenden Sirenen vorbei. Hier drinnen war es so still, dass man die alte Uhr auf dem Kaminsims ticken hörte und Murphys Schlabbern beim Wassertrinken in der Küche. Die Ruhe vor dem Sturm, dachte sie.
„Warum zum Teufel hast du mir nichts gesagt?“ Zorn, Anklage und etwas, das sie nicht definieren konnte, schwangen in seiner Stimme. Er riss ihr das Foto aus der Hand und schob es zurück in das Etui.
Daisy sank in den Sessel neben ihr. Sie verstand, was in Alex vorging, konnte es nachempfinden; doch dann dachte sie an all das, was sie damals hatte durchmachen müssen. „Warum zum Teufel sollte ich?“, konterte sie aufgebracht. „Du selbst hast gesagt, dass du keine Kinder wolltest.“
„Das war, bevor ich entdeckte, dass ich eins habe. Wie konnte ich sagen, dass ich meinen Sohn nicht will, wenn ich nicht wusste, dass er existiert?“
„Du wolltest nicht, dass er existiert!“
Seine Augen sprühten Feuer, und er ballte die Hände zu Fäusten. „Du hast ihn mir vorenthalten!“
„Ich habe dich lediglich beim Wort genommen.“
„Verdammt!“ Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, während er erregt hin und her ging. Dann blieb er vor ihr stehen. „Du wusstest, was mir mein Bruder bedeutet hat.“
Ja, das wusste sie. Alex war über Vassilios’ Tod nie hinweggekommen. Die ganze Familie hatte ihn vergöttert. Er war der Lieblingssohn seiner Eltern gewesen, der all die Eigenschaften besaß, die dem Jüngeren abgingen, er war liebenswert, umgänglich, mitfühlend, humorvoll. Dennoch war Alex nie auf ihn eifersüchtig gewesen, ganz im Gegenteil. Er hatte ihm nachgeeifert, Vass war sein Idol.
All das hatte er an dem Wochenende vor fünf Jahren durchblicken lassen. Daisy wusste, dass der Verlust seines Bruders der Grund war, weshalb Alex weder eine feste Bindung noch Kinder wollte. „Jemand lieben und dann verlieren – nie wieder!“ Das waren seine Worte gewesen.
Wie weh es tut, den geliebten Menschen zu verlieren, wusste niemand besser als sie. Vor fünf Jahren war sie vor Schmerz wie von Sinnen gewesen. Sie hatte Alex geliebt, wie man einen Menschen nur lieben konnte, und als er sie verließ, glaubte sie lange Zeit, alles verloren zu haben. Bis Charlie kam und ihrem Leben wieder Sinn gab.
Seinetwegen bereute sie keine Sekunde, dass sie den Vater geliebt und seinetwegen gelitten hatte. Wie könnte sie das? Auch die Ehe mit Cal bereute sie nicht, trotz der Scheidung. Was Cal und sie geteilt hatten und immer noch teilten, war eine andere Art von Liebe. Es war nicht genug gewesen, aber zumindest hatten sie es miteinander versucht.
Dazu war Alex nicht bereit, weder damals noch heute. Das Einzige, was sich geändert hatte, war, dass er jetzt heiraten wollte, aber zu seinen Bedingungen. Und die lauteten immer noch: keine Gefühle, keine Kinder.
Und nun besaß er die Unverfrorenheit, ihr ins Gesicht zu sagen, sie habe ihm seinen Sohn vorenthalten. Aber da kam er bei ihr an die falsche Adresse.
Kühl begegnete sie seinem Blick. „Ja, das wusste ich“, erwiderte sie. „Ebenso wusste ich, dass du keine Kinder willst. Ich musste entscheiden, was für Charlie am besten ist. Meiner Ansicht nach habe ich die richtige Entscheidung getroffen.“
„Wirklich! Deine Scheidung von Cal ist wohl der schlagende Beweis, wie?“ Seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.
Daisys Wangen verfärbten sich. „Cal ist Charlie ein guter Vater.“
„Und das wäre ich ihm nicht gewesen?“ Unwillkürlich hob er die Stimme.
„Nicht, ohne ihn
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