Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
ihm die Hand entgegen, die er herzlich schüttelte.
»Ich lebe noch nicht lange in dieser Gegend und wußte auch nicht, daß du dich hier niedergelassen hast. Ich bin Farmer geworden.«
»Und ich dachte, du leitest das Geschäft deines Vaters in der Stadt?«
»Das habe ich verkauft, als er starb. Ich wollte es einmal mit dem Landleben versuchen.« Reid war jetzt gar nicht mehr nervös und überhaupt nicht schüchtern. Nur seine Stimme verriet ein wenig die freudige Erregung, in die ihn diese unverhoffte Begegnung versetzt hatte.
Jills Neugierde war erwacht. Offensichtlich waren die beiden alte Freunde.
Da drehte sich Rachel Wood zu ihr um und entschuldigte sich höflich. »Verzeihen Sie, Miss Henderson, aber Alan und ich sind zusammen aufgewachsen, sozusagen Tür an Tür. Dann...«, sie stockte einen Moment, »dann habe ich ihn nach meiner Heirat aus den Augen verloren, und bis heute glaubte ich, daß er noch immer in der Stadt lebt... Alan, das ist mein Sohn Trevor.«
Der Junge, der in die Abteilung für Kinderbücher hinübergegangen war, um nach brauchbaren Büchern zu fahnden, kam nach vorne und gab höflich die Hand. Zweifellos, er war ein hübscher Junge. Am meisten aber beeindruckte Jill sein kluges Gesicht, das eine gewisse Nervosität verriet. Beim Sprechen stotterte er etwas.
Als Trevor wieder zu den Kinderbüchern ging, folgte ihm Jill, damit die beiden Erwachsenen ungestört plaudern konnten. Sie sah die Enttäuschung auf seinem Gesicht, da er offensichtlich nichts fand, was ihm gefiel.
»Komm mit in unsere Wohnung zu meinem Großvater«, schlug sie deshalb vor. »Vielleicht hat er etwas für dich.« Dann wandte sie sich an Alan und Mrs. Wood: »Die Kinderbücher in dieser Bibliothek sind entsetzlich. Ich werde mit Trevor zu Großvater gehen und fragen, ob er nicht etwas Besseres weiß.
Mr. Reid, könnten Sie mich bitte rufen, falls jemand kommt?« Die beiden verließen die Bibliothek.
Robert Henderson war an den Umgang mit Jungen gewöhnt, wenn auch an ältere Semester. Trevor hatte seine Schüchternheit bald überwunden und schien sich bei Großvater wohl zu fühlen. Als Alan Reid hereinkam, um Jill wieder in die Bibliothek zu holen, wo bereits zwei Leute auf ihre Hilfe warteten, ließ sie den alten Mann mit dem Jungen allein. Sie unterhielten sich ganz ernsthaft, und beim Hinausgehen hörte Jill Großvater sagen: »Ja, wir müssen gute Jugendbücher anschaffen. In der Zwischenzeit kannst du mal schauen, ob dir eines von meinen Büchern gefällt«, woraufhin die beiden in Großvaters Heiligtum, seinem Schlafzimmer, verschwanden. In diese Gefilde war nicht einmal sein Freund Alan eingedrungen. Großvater schien den nervösen, altmodischen Jungen zu mögen.
Als sie in die Bibliothek zurückkehrte, waren Alan Reid und Rachel Wood wieder in ihr Gespräch vertieft. Jill betrachtete die beiden neugierig. Das muß bestimmt eine sehr enge Freundschaft gewesen sein. Rachel Wood, die sonst so zurückhaltend und kontaktarm war, unterhielt sich mit Alan Reid recht lebhaft. Allerdings sah sie nicht sehr glücklich aus, wie Jill bemerkte, und sie schien sich, ebenso wie ihr Gegenüber, nur mit Mühe zu beherrschen. Anscheinend verband die zwei mehr als nur eine harmlose Kinderfreundschaft. Vielleicht war es die erste große Liebe gewesen. Vielleicht hatte man sie getrennt und das Mädchen verheiratet. Jill dachte an James Wood und versuchte sich vorzustellen, was für ein Mensch er wohl sei. Zwar hatte sie gehört, daß er ein reicher und erfolgreicher Farmer war, aber niemand schien ihn zu mögen. Seine Frau war bestimmt nicht glücklich, und der Junge war für sein Alter viel zu still und nervös. Jill war überzeugt, daß sich hier vor ihren Augen eine verhinderte Liebesromanze abspielte, und sie hoffte, daß Großvater seinem Freund Alan helfen konnte. Auf jeden Fall war die Bibliothek ein unauffälliger Treffpunkt, und sie würde darauf achten, die beiden nicht zu stören.
Da stand Mrs. Wood auf, zögerte einen Moment und fragte dann Jill, ob sie in die Wohnung gehen dürfe, um ihren Sohn zu holen. Als sie ging, drehte sie sich noch einmal zu Alan um, der eine Zeitlang die Tür anstarrte, durch die sie gegangen war. Das Buch lag noch immer zu seinen Füßen. Als er es bemerkte, sagte er: »Es tut mir leid. Hoffentlich habe ich das Buch nicht beschädigt. Ich — ich habe nicht achtgegeben.« Er verfiel wieder in sein übliches Schweigen. Bald entzog er sich ihrem forschenden Bück und ging in die
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