Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
Evelyn griff mutig ein und brachte ihn von seinem bösen Vorhaben wieder ab. Die Besitzerin kettete ihn an und sprang schnell zur Seite. »Jetzt sehen Sie, was ich vorhin meinte«, keuchte sie. »Ich komme einfach nicht zurecht mit ihm. Er liebt aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen meinen Mann, der ihn auch sonst immer versorgt. Ich werde meinen Mann bitten, ihm eine alte Hundehütte herauszustellen, damit er auch in der Nacht geschützt ist. Übrigens, vielen Dank, daß Sie mich benachrichtigt haben.«
Als sie weiterfuhren, lachte Jill noch immer. »Ich hätte mich, totlachen können. Dieses verdammte Viech war ja ganz schön hinterlistig.«
»Das kann man wohl sagen. Ziegen lassen sich gerne von Hinteransichten reizen, und in diesem Fall hätte es sich sogar gelohnt.« Evelyn dachte an die stämmige Farmersfrau und kicherte jetzt ungeniert.
»Sag mal, Evelyn, hat dich eigentlich noch nie jemand hinausgeworfen? Du mußt doch zugeben, daß du deine Nase ganz schön tief in anderer Leute Angelegenheiten steckst.«
»Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern. Natürlich hängt es davon ab, wie man etwas sagt.« Und daß man ein Madonnengesicht und eine sanfte Stimme hat, dachte Jill.
Sie näherten sich gerade den Vororten der Stadt, als erneut ein Hindernis auftauchte. Jill wäre es lieber gewesen, wenn Evelyn mehr auf die Straße als auf die Tiere geachtet hätte, aber was half’s? Plötzlich stand das Auto wieder. »Warum denn nun schon wieder? Ich sehe nichts.«
»Aber ich. Dort drüben im Gras habe ich die Schwanzspitze eines Kätzchen gesehen. Jemand muß eine kleine Katze ausgesetzt haben.«
Jill seufzte. Nun schon zum siebzehnten Mal. Aber sie sagte nichts weiter, weil sie wußte, daß es nichts nützen würde. Sie selbst glaubte nicht an den Katzenschwanz und war überzeugt, daß es lediglich ein etwas längerer Grashalm war, der sich im Wind bewegt hatte. Sie suchten ziemlich lange am Straßenrand, ohne auch nur die geringste Spur einer Katze zu finden, und Evelyn war schon fast bereit, aufzugeben, als sie ein leises Piepsen hörten. »Da ist es wieder«, rief sie triumphierend. »Das war deutlich ein schwaches miau .«
»Das war eindeutig ein Vogelruf...«, protestierte Jill. »Ich suche nicht weiter.«
Aber Evelyn gab nicht auf, bis sie den kleinen Schreihals selbst auf einem Zaunpfahl entdeckte. Der winzige Vogel schaute keß zu ihr hinüber. Dann erst konnte die Reise weitergehen.
»Ich wollte schließlich sicher sein«, brachte sie zu ihrer Entschuldigung hervor. »Immer wieder kommt es vor, daß Leute ihre Tiere aussetzen, kaum daß sie außerhalb der Stadt sind und niemand sie sehen kann.«
Mit einer Geschwindigkeit von dreißig Meilen in der Stunde näherten sie sich dann endlich ihrem Ziel. Eigentlich ist das noch schnell genug, dachte Jill, wenn man bedenkt, wie selten die Fahrerin auf die Straße achtete.
Nach der mühevollen Anfahrt war wenigstens der Tag in der Stadt ein voller Erfolg. Jill konnte ein Dutzend der Bücher, die Roberts Freund empfohlen hatte, gleich mitnehmen, den Rest bestellte sie. Außerdem kaufte sie einige Neuerscheinungen, von denen sie gute Kritiken gelesen hatte, so daß der Betrag, den das Komitee bewilligt hatte, restlos aufgebraucht war.
»Ich hoffe, daß sie die restlichen Kinderbücher, die ich bestellt habe, auch noch bezahlen«, sagte sie zu Evelyn, als sie schließlich wieder auf dem Heimweg waren. »Das werden sie sicherlich, wenn sie erfahren, daß Großvater die Bücher empfohlen hat. Die Leute vom Komitee fressen ihm ja aus der Hand.«
Die Rückfahrt verlief ähnlich beschwerlich wie die Hinfahrt am Morgen. Mehrere Male mußte Evelyn anhalten, aber zum Glück waren die schlimmsten Gefahren schon am Morgen beseitigt. Das Pferd konnte nicht mehr über das Seil stolpern, und die Ziege warf ihnen einen bösen Blick vom Eingang ihrer ausgedienten Hundehütte zu. Evelyn war so erleichtert, daß sie es tatsächlich wagte, mit fünfunddreißig Meilen in der Stunde heimwärtszustreben.
»Ich darf die Tiere nicht warten lassen. Sie müßten längst gefüttert werden«, jammerte sie, und Jill stellte sich das Katzenkonzert vor, das sie erwartete. Die Tatsache, daß auch Robert Henderson möglicherweise ein Abendessen wollte, schien Evelyn nicht zu berühren, ungeachtet der herzlichen Freundschaft, die sie für ihn empfand.
»Menschen...«, versuchte sie ins Allgemeine auszuweichen, als Jill dieses Problem anschnitt. »Mr. Henderson wird
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