Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
habe ich die wahre Rachel kennengelernt.«
Am späten Nachmittag machte sich Matthew auf, um nach der unglücklichen Möwe zu sehen. Als er zurückkehrte, berichtete er Jill, daß Rachel mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen hatte: Der Flügel des Vogels mußte über dem Gelenk amputiert werden.
»Somit haben wir eigentlich wenig Gutes getan«, sinnierte Jill. »Der arme Kerl wird nie wieder fliegen können.«
»Fliegen wird er nicht mehr können. Dafür wird er gehörig Evelyns Katzen zerzausen und die übrige Zeit am Bach verbringen, um sich von den Ausflüglern während ihres Picknicks Leckerbissen zustecken zu lassen, und als Dank versuchen, sie anständig zu picken. Nein, der Flügel war nicht mehr zu retten. Aber wenigstens hat der Whisky den Vogel betäubt, so daß er keinerlei Schmerzen gelitten hat.«
Was Matthew prophezeit hatte, traf ein. Der Vogel war nicht zu zähmen und offenbarte zudem einen höchst bösartigen Charakter. Doch schien die Mantelmöwe ziemlich glücklich ihr Invalidendasein zu fristen und amüsierte die Ausflügler mit ihrem ulkigen Gehopse. Evelyns Katzen hingegen schätzten die Möwe weniger, gewöhnten sich aber allmählich an sie. Stürzte sich der Vogel kreischend auf die Katzenschar, so foppten ihn die flinken Tiere, indem sie den nächsten Baum erkletterten und von sicherer Höhe herab den lädierten Vogel ausmiauten.
Neben Rachel zählte jetzt auch ihr Sohn zu den regelmäßigen Besuchern der Tierpraxis. Trevor hatte an den Tieren seine helle Freude, und eines Tages erklärte er wehmütig: »Ich würde gerne ein Haustier halten, aber das ist auf einer Farm wohl unmöglich.«
Jill dachte bei sich, daß gerade eine Farm der ideale Platz für die Haltung eines Haustieres sei. Doch da sie sich an den abscheulichen Vorfall mit Trevors Hund erinnerte, behielt sie ihre Meinung für sich.
»Wood steht das Wasser so ziemlich bis zum Hals«, meinte Matthew eines Abends zu Jill. »Die Leute hier scheinen davon überzeugt zu sein, daß das Verschwinden von Tieren auf sein Konto geht... Sie lauern ihm jetzt auf, zumal gestern mehrere Widder von Raines Weiden verschwunden sind.«
»Aber man hat doch keine Spur entdeckt? Ich will damit sagen, wenn er sie wirklich gestohlen hätte, dann wäre er doch kaum so dumm, sie auf seiner eigenen Farm unterzubringen.«
»Woods Farm umfaßt rund zweitausend Morgen Land und grenzt direkt an den Busch. Du wirst doch nicht glauben, daß er die Tiere für alle sichtbar in den vordersten Gehegen ausstellt.«
»Kann Raine denn nichts Genaues nachweisen?«
»Es ist gesetzlich untersagt, fremdes Land zu betreten. Die einzige Möglichkeit wäre, Anzeige zu erstatten und die Polizei das gesamte Gelände durchsuchen zu lassen. Aber bis dies in die Wege geleitet wäre, hätte er die Widder längst in Sicherheit gebracht.«
»Die Sache scheint ja ziemlich hoffnungslos zu sein. Wie kann man unter diesen Umständen jemals einen Schafdieb erwischen?«
»Stimmt. Das ist recht schwierig. Du mußt ihn entweder erwischen, wenn er versucht, die Tiere zu verkaufen, oder du mußt ihn in flagranti ertappen, wenn er sie von der Weide stiehlt. Wenn man den Dieb nicht auf frischer Tat erwischt, so kann dieser steif und fest behaupten, daß sich die Tiere auf sein Farmgrundstück verirrt hätten. Wenn du nicht mit eigenen Augen gesehen hast, daß er sie selbst auf seine Weide geschafft hat, dann ist ihm nichts nachzuweisen. Und so ein gemeiner Job wird üblicherweise bei Nacht und Nebel verrichtet.«
»Es überrascht mich, daß die Farmer sein Anwesen nicht scharf bewachen.«
»Die Farmer sind im Frühjahr durch die viele Arbeit zu erschöpft, um sich noch nachts sieben Stunden lang auf Wache zu legen. Außerdem haben sie zur Zeit eine andere Sorge, die ihnen noch mehr zu schaffen macht als der Viehdiebstahl. Im Distrikt wüten einige streunende Hunde, die verdammte Kerle bei einer Wildschweinjagd zurückgelassen haben. Die Hunde haben schon eine Menge Schafe gerissen, und die Männer müssen ausschwärmen, um die Köter unschädlich zu machen. Sie können nicht gleichzeitig nach streunenden Hunden und nach Schafdieben Ausschau halten. Wood ist viel zu gerissen — dem kommen sie so schnell nicht auf die Schliche.«
Aber schließlich wurde er doch noch erwischt — und zwar von Matthew höchstpersönlich. Er hatte einen freien Abend in der Gesellschaft von Jill und Evelyn verbracht. Anschließend entschloß sich Matthew plötzlich, mit Jill in der linden und
Weitere Kostenlose Bücher