Verlieb dich nie in einen Vargas
verwirrt. Ihr kommt mir bereits wie zwei alte Freunde vor.«
»Ich gebe mein Bestes, aber sie macht alle meine Versuche zunichte.« Emilio ließ ein weiteres Grübchenlächeln aufblitzen und beugte sich so dicht zu mir, dass unsere Arme sich streiften. Unter dem Geruch nach Öl und Metall stieg eine warme Wolke aus Leder und Weichspüler empor. Seine Gesichtsmuskeln zuckten, als bemühe er sich, nicht zu lachen.
Ich bemühte mich, nicht zu sterben . Nicht, dass das jemanden interessiert hätte.
»Bleibst du zum Essen, Emilio?«, fragte Mom. »Ich mache milanesa napolitana .«
»Er kann nicht«, warf ich ein, ehe sie zu einer genaueren Beschreibung ihrer köstlichen Kreation ansetzen konnte. Ich hätte es kommen sehen müssen. Menschen zu füttern – Freunde, Familie, notorisch böse Jungs –, war mehr oder weniger ihre Lebensaufgabe, eine heilige Mission, die sogar die Keine-Fremden-im-Haus-Regel übertrumpfte. »Er hat irgend so ’n Ding.«
Emilio lachte inzwischen laut. »Hab ich das?«
»Ja, du weißt schon. Dein Ding!« Ich blickte ihn mit großen, verzweifelten Augen an. Basketballtraining, Schachklubtreffen, Monstertruckrallye … Lass dir was einfallen!
»Stimmt. Mein … Ding. Hab ich wohl vergessen.«
»Ein andermal dann.« Mom musterte uns gefühlte fünf Stunden lang. »Oh! Typisch – ich quatsche euch noch ein Ohr ab. Ich lasse euch mal allein, damit ihr euch in Ruhe verabschieden könnt. Es war schön, dich kennenzulernen, Emilio. Ich weiß nicht, warum Juju erzählt hat, dein Name sei Eddie. Du siehst gar nicht wie ein Eddie aus. Emilio passt so viel besser zu dir …«
»Mom! Hör auf damit. Geh rein, bevor es Verletzte gibt.«
Sie errötete tatsächlich. Was war nur mit den Frauen dieser Familie los? Vargas war das reinste Hernandez-Lady-Kryptonit!
Gott sei Dank hatte ich die Gene meines Vaters.
»Nur gut, dass alle Eltern meinem Charme erliegen«, sagte Emilio, sobald meine Mutter weg war. »Andernfalls hätte ich als dein Freund schlechte Karten.«
Emilio zwinkerte mir zu, stieg auf sein Motorrad und sprang auf den Kickstarter, von dem ich dank seiner hilfreichen Lektion inzwischen wusste, dass er bloß Show war.
Wer ist der heiße Typ, den du an Land gezogen hast, um für euch zu arbeiten?
Wovon redet Mari da? Welcher heiße Typ?
OMG , wovon redet Celi da? Hast du einen neuen Freund?
NA ENDLICH ! Ich hoffe nur, du passt auf!
Es waren erst weniger als zwei Stunden vergangen, seit Mom Emilio begegnet war, und auf meiner öffentlichen – ja, öffentlichen, danke sehr! – Facebookseite funkelten die Erbsenhirnkommentare meiner Schwestern um die Wette. War dieser Familie denn gar nichts heilig? Fünf Frauen, und nach Jahrzehnten, die wir Klatsch und Tratsch miteinander geteilt hatten, war es immer noch, als würden wir nonstop Stille Post spielen. Wenigstens hatte Mom seinen Namen weggelassen. Bis jetzt.
Löschtaste. Löschtaste. Löschtaste.
Ich ließ den Kopf auf die Schreibtischplatte sinken und schloss die Augen; die Fragen meiner Schwestern blinkten hinter meinen Augenlidern. Nein, ich hatte keinen Freund, nein, es gab also keinen Grund, aufzupassen. Und falls meine Schwestern herausfanden, wer dieser heiße Nichtfreund war, würden sie mich eh umbringen. Lourdes würde sich ins nächste Flugzeug nach New York setzen, Celi würde sie am JFK treffen, sie würden sich einen Prius mieten und den ganzen Weg nach Denver rasen, ohne auch nur eine Pinkelpause einzulegen. Dort würden sie sich Mari schnappen, und die heilige Dreifaltigkeit würde am nächsten Morgen bei uns auf der Matte stehen, mich beim Frühstück mit düsteren Blicken anfunkeln, die Hände in die Hüften stemmen und eine Erklärung verlangen.
»Alles ist gut«, sagte ich zu den Stofftiereulen auf meinem Bett. Das mit Emilio war nur eine vorübergehende Sache. Ein Mittel zum Zweck. Sobald das Motorrad lief, würde er aus meinem Leben verschwinden, und das Wort Vargas würde mir nie wieder über die Lippen kommen.
Aus.
Vorbei.
Terminado.
Ich nickte wie wild, als würde das den Wörtern helfen, sich festzusetzen, und es funktionierte ungefähr zehn Sekunden lang. Aber durch das wilde Genicke hatte ich ein Bild losgerüttelt, das mein Kopf eingefangen und ohne meine Erlaubnis abgespeichert hatte: Emilio, wie er mir zuzwinkerte und auf den Kickstarter sprang, woraufhin das Motorrad unter ihm röhrend zum Leben erwachte. Mein verräterisches kleines Biest von einem Herz flatterte.
Ich verstand es als das, was
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