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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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zugebunden. Das Rasierwasser zu identifizieren dauerte einen Moment.
    Rasierwasser. Das hatte mich aufgeweckt, erkannte ich. Der Geruch war mir nicht mehr vertraut, nach Monaten der Abwesenheit war er beinah zu etwas Fremden geworden.
    »Papi?« Ich trat ins Licht. » ¿Hacerte un café? « Es war ein alter Scherz, die Macht der Suggestion, derer er sich jahrelang bedient hatte, als meine Schwestern noch hier lebten. Mach dir einen Kaffee! Anders ausgedrückt: Mach mir einen Kaffee!
    Aber dieses Mal lächelte er nicht, zwinkerte nicht oder wackelte mit dem Zeigefinger, als hätte ich ihn schließlich doch noch mit seinen eigenen Waffen geschlagen.
    »Nein.« Er musterte seine Hände, die Stirn vor Konzentration gerunzelt. »Ich … ich glaube, ich bin für irgendetwas spät dran. Einen Termin?«
    »Dein Termin ist erst morgen. Siehst du?« Ich führte ihn zu dem wiederbeschreibbaren Kalender, der inzwischen an unserem Kühlschrank hing. »Du hast dich im Datum vertan, das ist alles.«
    Er guckte auf seine Armbanduhr und dann wieder zu den Glastüren hinaus. Pancake stupste ihn am Bein an und kläffte einmal kurz.
    »Das ist nicht schlimm. Mir ist gestern dasselbe mit Emilio passiert, weißt du noch? Ich dachte, er käme zu spät, und …«
    »Wir haben eine Betriebsversammlung.« Papis Gesicht war von der Anstrengung gezeichnet, nach etwas zu suchen, nach etwas zu streben, das er niemals finden würde, und als mir schließlich klar wurde, was dahintersteckte, erblühte ein dunkler Schmerz in meiner Brust.
    Er war nicht wegen des Arzttermins am nächsten Tag verwirrt. Er hatte sich für die Arbeit zurechtgemacht, so wie dreißig Jahre lang jeden Wochentag; bis vor ein paar Monaten, als sie ihm freundlich nahegelegt hatten, in Frührente zu gehen – eine diplomatische Art, ihm die Berufsunfähigkeit zu bescheinigen.
    »Du hast diesen Job nicht mehr«, sagte ich sanft. »Jetzt ist es dein Job, den ganzen Tag mit mir zu verbringen.«
    Er brauchte wahrscheinlich nur eine Pause. Einen Tag, um sich zu entspannen, die Menschenmengen von Old Town zu meiden, nicht länger über Valentinas Probleme nachzugrübeln.
    »Wie wäre es mit einer Partie Scrabble?«, fragte ich. »Bist du bereit für einen Tritt in den Allerwertesten, mi viejito ?«
    Papi starrte mich so lange an, dass ich schon dachte, er versuche, mich zuzuordnen, sich daran zu erinnern, wann er mein Gesicht das letzte Mal gesehen hatte. Ich hatte peinlich genau darauf geachtet, ihm seine Medizin zu geben, war mit ihm in der Sonne spazieren gegangen, wenn er Lust dazu hatte, genau wie die Ärzte es uns geraten hatten. Aber das hier war sein zweiter großer Aussetzer diese Woche.
    Sein Zustand verschlechterte sich.
    »Ich denke, ich werde etwas Fernsehen gucken. Vielleicht einen Kaffee trinken. Okay?« Er lächelte, aber seine Augen waren feucht. Eine leichte Röte stieg in seine Wangen, und ich wandte mich zur Speisekammer um, nur getrocknete Lebensmittel und Konserven , und kramte nach den Kaffeefiltern, als wäre es mir nicht aufgefallen.
    Clint Eastwood war ein gern gesehener Gast in unserem Wohnzimmer, und seine charakteristische raue Stimme und seine Darbietung Pistolen schwingender Abgebrühtheit zog den ganzen Morgen eine flammende Spur durch meinen Schädel. Nach Eine Handvoll Dollar schlüpfte ich auf die vordere Veranda hinaus, um eine weniger flammende Kaffeepause zu genießen, und ließ Papi zum hundertsten Mal seinen absoluten Favoriten gucken – Zwei glorreiche Halunken .
    Ich war schon seit ein paar Stunden dort draußen, war im golden-buttrigen Schein der Sonne zwischen Wachen und Schlafen hin und her geglitten, als ein einst vertrauter Anblick mit stetem Tritt die Auffahrt hochgeradelt kam. Ich bildete mir ein, zu träumen, wieder zehn Jahre alt zu sein und nach dem Abendessen darauf zu warten, dass Zoe endlich kam, damit wir zum Animas hinunterrennen und unsere staubigen Füße und Brauseschnurrbärte in ihm baden konnten.
    Zoe stellte ihr Rad neben dem Haus ab und stapfte mit ihrem Rucksack die Verandatreppe hinauf. Ich blinzelte sie gegen die Sonne an, noch immer in der nebelverhangenen Traumwelt gefangen, wo alles möglich war. War sie tatsächlich hier? Während mein Blick über ihr Gesicht glitt, zählte ich stumm ihre Sommersprossen. Eine alte Gewohnheit.
    »Guten Morgen, Sonnenschein!« Zoe zog strahlend einen Stapel Blätter aus ihrem Rucksack. »Ich hab den Text! Hilfst du mir, ihn durchzugehen? Ich muss mir Notizen machen und …«
    »Es

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