Verlieb dich nie in einen Vargas
hatten und die Gift spritzenden Worte zu einzelnen Buchstaben wurden, neutral und harmlos.
»Alles okay?«
»Hm?« Ich hatte beinah vergessen, dass Zoe da war. »Entschuldige. Die Königin … ja. Sie hatte wahrscheinlich eine schlimme Kindheit.«
Zoe zog die Nase kraus. »Wir haben uns gerade über Kostüme und Maske unterhalten.«
Ich betrachtete die zerrissenen Papierschnipsel in meinen Händen. Dann Zoe. Dann wieder die Schnipsel. Vor meinen Augen verschwamm alles.
Falls Janice auch nur eine Sekunde lang glaubte, wir würden zulassen, dass Papi an diesem Ort zu Staub zerfiel …
»Jude? Was machst du da? Was ist das?«
Meine Besorgnis spiegelte sich in ihrem Blick wider. Sie hatte sich immerhin so weit von ihrem Textbuch losgerissen, um zu bemerken, dass in meiner Welt etwas im Argen lag.
»Mom muss sie von ihrem letzten Termin mit nach Hause gebracht haben«, sagte ich leise. Ich erzählte ihr von dem Brief. Was er bedeutete.
Sie sagte erst einmal nichts, und ich stopfte den Rest der Broschüre in den Müllschlucker und legte den Schalter um, nicht anfassen , bis nur noch grauer Brei übrig war.
Neue Wege, Janice? Ha!
»Ich bin sicher, es hat nichts zu bedeuten.« Zoe ordnete ihren Papierstapel, ihre Finger schlossen sich um die Kanten, sie blätterte die obere Ecke mit dem Daumen durch. »Sie geben die Info wahrscheinlich jedem mit, der … den Patienten und Ehepartnern und so.«
Ich blinzelte gegen die Bilder an, die mir durch den Kopf schossen. Gestärkte weiße Laken. Metallbetten. Keine scharfen Kanten …
»Denk nicht mehr daran«, sagte Zoe. »Wenn deine Mom sie brauchen würde, hätte sie die Broschüre schließlich nicht weggeschmissen. Hab ich recht?«
Die Nudeln kochten über, Wasser zischte auf der Herd platte. Einige Nudeln klebten am Boden des Topfes fest, und ich rührte und schabte, mit einem Mal verzweifelt darum bemüht, sie wieder zu lösen.
»Sie geht morgen mit ihm zum Arzt«, sagte ich, sobald ich die Nudeln befreit hatte. »Vielleicht geht es dabei um …«
»Stopp. Weißt du, was du brauchst? Eine Pause«, sagte Zoe munter. »Du machst dich sonst noch verrückt. Komm morgen zur Probe. Wir planen einen kompletten Textdurchlauf. Du kannst zusehen – es wird dir Spaß machen.« Zoe lächelte, als hätte sie mich bereits überzeugt, als würden ihre Pläne für den sogenannten normalen Teenagersommer alles richten.
Wir malen die Rosen rot … Wir malen die Rosen rot …
Ich versprach ihr, zu kommen, aber bevor ich die Uhrzeit bestätigen konnte, schlug die große Standuhr keine Telefonzelle im Flur eins, ein einzelner Gong, der die Worte auf meiner Zunge schockgefror, und in seinem Echo kehrte eine Zeile aus Janice’ Notiz an die Oberfläche zurück. Sie hämmerte sich mir mit plötzlicher, grell leuchtender Offensichtlichkeit ein.
Ich habe die Broschüre und die Bewerbungsunterlagen beigefügt, um die Du gebeten hast …
Es hatte nicht nur die Hochglanzbroschüre gegeben – da existierte noch etwas. Bewerbungsunterlagen.
Und Mom hatte darum gebeten.
»Bereit für eine erste Einschätzung?«
Ich fuhr zusammen, drehte mich um und entdeckte Emilio, der durch die Fliegengittertür in die Küche spähte.
»Ich habe die vordere Verkleidung abmontiert«, sagte er. »Das Innere ist in gutem Zustand. Nichts, was wir nicht wieder hinbekommen.«
Ich hörte die Wörter, wusste, dass Emilio über das Motorrad redete. Aber mein Gehirn steckte im ersten Gang fest und schaffte es nicht, von den Bildern der Broschüre wegzuschalten, von dem Brief der Frau, die dachte, sie kenne unsere Familie.
»Jude?« Emilios Tonfall veränderte sich, seine Stimme klang jetzt ernster. »Geht es dir …«
»Also, ich bin Zoe.« Meine beste Freundin sah Emilio mit großen Augen an und klimperte mit den Wimpern, bis sich allmählich die Erkenntnis auf ihrem Gesicht breitmachte. »Warte mal, du bist …«
»Emilio.« Er öffnete noch im selben Moment die Tür, durchquerte die Küche, bis er bei mir an der Spüle war. Wieder sah ich alles geschehen – Emilios Sneakers auf dem Fliesenboden, Zoes Gezappel am Tisch, Nudeln, die im heißen Wasser trudelten, das spritzte und zischend auf dem Herd landete –, aber es war, als würde ich von draußen durch das Fenster zuschauen, und plötzlich stand Emilio neben mir, und sein weiches graues T-Shirt streifte meinen Arm, als er sich vorbeugte, um den Herd abzuschalten.
»Alles okay?«, fragte er.
Ich starrte schweigend seine Hand an, die auf der
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