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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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sagte Mom endlich.
    Papi kam aus dem Schlafzimmer und fummelte an seinen Hemdsärmeln herum, während er die Treppe hinuntertrottete. Die Button-down-Hemden und die Khakihosen, die Mom ihm für die Arztbesuche rauslegte, waren meilenweit von den unsäglichen Flanellhemden entfernt, die ich ihm durchgehen ließ.
    »Diese blöden Dinger.« Er brummte und grummelte in sich hinein und drehte die Handgelenke, als berge das Zuknöpfen der Ärmel womöglich ein noch zu entdeckendes Mysterium.
    »Ay, wir sind spät dran.« Mom streckte die Hand nach den Ärmeln aus, aber er schüttelte sie ab.
    »Bär, wir haben keine Zeit …«
    »Dann zwing mich nicht, diese Hemden anzuziehen.« Falls er an das Hemd dachte, das er am Vortag versehentlich angezogenen hatte, um ins Büro zu gehen, erwähnte er es nicht, und nun zog er die Brauen zusammen, als seine Finger sich erfolglos bemühten, den winzigen Knopf durch das winzige Knopfloch zu schieben.
    »Mach es im Auto«, sagte Mom. »Wir müssen los.«
    »Halb angezogen gehe ich nirgendwohin.« Er sah die Knöpfe mit zusammengekniffenen Augen an; seine Finger schienen mit jeder Sekunde dicker zu werden.
    Mom verfügte über einen schier unendlichen Vorrat an Energie. Beinah täglich hielt sie Neugeborene mit Koliken im Arm, sang und wiegte sie stundenlang. Sie führte mit ruhiger Hand Beatmungsschläuche ein und wechselte Windeln von der Größe einer Cocktailserviette. Sie führte wichtige, lebensrettende Maßnahmen inmitten ganzer Legionen brüllender Babys aus.
    Sie hatte selbst vier brüllende Babys auf die Welt gebracht und großgezogen.
    Aber hier in unserem Wohnzimmer drohten zwei kleine Plastikknöpfe ihr Untergang zu werden. Ihr Blick war wild und verzweifelt, ihre Wangen leuchteten so wachsrot wie Äpfel aus dem Supermarkt.
    »Was würde Clint Eastwood dazu sagen?« Ich trat zwischen meine Eltern und hielt Papis Hände fest. »Trag ein schickes Hemd wie das, und die Leute bilden sich womöglich noch ein, du wärst ehrbar geworden.«
    »Das würde ich auf keinen Fall wollen.«
    »Dein Geheimnis ist bei mir sicher, viejito .« Ich lächelte, und er vergaß, wie frustriert er wegen der Knöpfe gewesen war, während ich sie zumachte. »Ruft mich an, wenn es was Neues gibt. Ich fahre nachher zum Upstart-Crow.«
    »Ach? Ich dachte, du würdest dieses Jahr nicht Theater spielen?«, sagte Mom.
    Ich schnappte mir meinen Rucksack, der höllisch schwer war, weil darin ein gebundenes Manuskript steckte, das Mari mir geschickt hatte (da ich den Vorteil besaß, zur Zielgruppe ihres Autors zu gehören), und dazu eine Tüte weißes Käsepopcorn. Wer konnte schon sagen, wie lange ich heute im Publikum sitzen und mir in einer Endlosschleife die immergleichen Szenen ansehen würde. »Ich helfe nur Zoe.«
    » Bueno, mi amor .« Mom wandte sich ihrer täglichen Suche nach Sonnenbrille (auf ihrem Kopf), Handtasche (auf dem Tisch, wo sie sie abgestellt hatte) und Schlüssel (in ihrer Hand) zu. Sie war noch zerstreuter als sonst, in Gedanken zweifellos bei Papi und dem, was sie im Krankenhaus erwartete: Malen Sie ein Gesicht. Malen Sie eine Uhr. Wie lautet Ihre Adresse? Wiederholen Sie diesen Zungenbrecher. Brauchen Sie noch mehr Drogen? Papi war dagegen die Ruhe selbst. Jetzt, da sein Hemd vollständig geknöpft war, kniete er sich auf den Boden und rief nach Pancake.
    Aber bevor er Papi eine Dosis Hundesabber mit auf den Weg geben konnte, kam Emilio unsere Einfahrt entlanggeschlendert. Er traf uns an der Tür, wo Mom sich von ihrer besten Seite zeigte und ihn mit einem freundlichen Hallo begrüßte. Papi folgte ihrem Beispiel, indem er Emilio die geballte Faust entgegenstreckte, der erfreut mit seiner dagegenstieß.
    Oh, so ist das jetzt also?
    »Hey, Jude.« Er startete eine Grübchenattacke, aber ich hatte die schützenden Mauern bereits hochgezogen.
    »Hast du meine SMS bekommen?«, fragte ich. »Ich werde eine Weile weg sein, daher …«
    » No problema . Ich hab im Schuppen alles, was ich brauche.«
    »Es ist viel zu schön draußen, um den ganzen Tag drinnen zu hocken«, sagte Mom. »Ihr zwei solltet einen Spaziergang machen oder ein Picknick.«
    »Gute Idee.« Papi zwinkerte mir zu. »Macht mal ’ne Pause.«
    Zoe hatte immer gesagt, ich hätte Glück, so lockere, aufgeschlossene Eltern zu haben. Doch in diesem Moment wünschte ich mir bloß, sie würden mich auf mein Zimmer schicken und mir verbieten, mit einem Jungen allein zu Hause zu sein, wie ganz normale Eltern.
    »Seid ihr nicht

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