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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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Ich hatte das Zählen nach dem zwanzigsten Mal drangegeben. Selbst Pancake wirkte unter seinem goldblonden Fell leicht grün. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, welchen Schaden die Hebebühne der Ladefläche des Pick-ups vermutlich gerade zufügte. Da hinten krachte und schepperte es, als stünde uns die Apokalypse bevor.
    Emilio warf erneut den Motor an, machte ein paar buckelnde Sätze vorwärts, kam zum Stehen. Er presste die Stirn gegen das Lenkrad und stöhnte auf.
    »Steig aus«, sagte ich. »Ich habe eine Idee.«
    Wir tauschten die Plätze, und ich wies ihn an, die Hand um den Schaltknüppel zu legen und die Augen zu schließen.
    »Ich werde für dich schalten«, sagte ich. »Achte darauf, wie es sich anfühlt und wie der Motor klingt, wenn ich es mache.
    Seine Miene war ernst und konzentriert. Als ich meine Hand über seine auf dem Schaltknüppel legte, zuckte er zusammen, hielt aber die Augen geschlossen.
    »Entspann dich«, sagte ich. »Jedes Mal, wenn ich schalte, drücke ich den Knüppel nach unten. Ich werde dir sagen, welchen Gang wir einlegen. Wir beginnen mit dem ersten.« Ich trat die Kupplung durch und schaltete in den oberen linken, wobei ich inständig hoffte, dass meine Hand nicht schweißnass war.
    »Zweiter.« Ich führte den Schaltknüppel gerade nach hinten, während sich unsere Geschwindigkeit stetig erhöhte. »Dritter.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich sein aufgeregtes Grinsen und ich jagte uns bis in den fünften. Wir fuhren bloß achtzig und der Pick-up grollte ob des hohen Gangs, aber die Fenster waren heruntergekurbelt, und Pancake hatte seinen Kopf nach draußen gesteckt, seine Zunge schleckte den Fahrtwind auf, und die Sonne grillte meine Arme, und Emilio lachte, und der Wind zerzauste mein Haar, und ich dachte nur dieses eine Mal, nur diese eine Minute lang: Ja, verflucht! Genau das macht das Leben aus!
    Und dann fiel mir wieder ein, dass es nicht so war, und ich schaltete runter und lenkte uns an den Straßenrand.
    »So viel zu den Basics.« Ich ließ meine Hand von seiner gleiten.
    Emilio öffnete die Augen. »Der Unterricht ist schon vorbei? Ich fing gerade an, es zu kapieren.«
    Ein Elsternpaar segelte an der Windschutzscheibe vorbei und verschwand zwischen den Ponderosa-Kiefern.
    »Wir sollten wahrscheinlich besser zu Valentina zurückfahren, ehe du zu müde zum Arbeiten bist.«
    »Ich werde nie müde«, sagte Emilio. »Ich habe zwei Wörter für dich: Bein. Hart.«
    »Ach ja? Das ganze Beinhartgelaber hat natürlich viel zu sagen, wenn es von einem muchacho kommt, der nicht mal mit ’ner Gangschaltung klarkommt.«
    Emilio bemühte sich, den taffen Typen zu mimen, und seine Lippen verzogen sich für einen Moment gespielt verächtlich, bevor er loslachte. Die Sonne funkelte in seinen Augen, und sein Grinsen war so breit, dass die Grübchen Überstunden schoben.
    Es war wie ein Sonnenuntergang, einer jener wundersam strahlenden roten über dem Canyon, und in dem Schweigen, das entstand, griff er nach meiner Hand und nahm sie in seine, hielt sie auf dem Sitz zwischen uns fest.
    Ich wartete auf eine Erklärung, eine Pointe, einen frechen Spruch, aber er gab nichts preis. Seine Lippen sahen so weich aus und luden dermaßen zum Küssen ein, und sein Blick wanderte träge zu meinem Mund, und für den Nanobruchteil einer Nanosekunde spürte ich, wie ich mich zu ihm neigte …
    Nein. Meine Eltern waren beim Arzt, und Papi wurde wahrscheinlich gerade mit Nadeln traktiert, und ich bewegte mich mit einem notorischen Herzensbrecher, dessen Existenz zu leugnen mir auferlegt worden war, am Rand einer Fantasie, nur einen Atemzug entfernt von …
    Ich zog meine Hand unter seiner hervor und ließ den Motor an.
    »Verdammt«, sagte er. »Kürzestes Date aller Zeiten.«
    »Ich hab dir ja gesagt, es ist kein Date.« Ich bemühte mich, mein Gesicht zu einem sarkastischen Grinsen zu verziehen. Wahrscheinlich sah es eher so aus, als kämen mir die Frühstückswaffeln wieder hoch, aber es erzielte die gewünschte Wirkung, denn in Emilios Augen blitzte Enttäuschung auf, und er wandte den Blick ab.
    Wir fuhren schweigend nach Hause, während ich im Kopf die Fahrstunde noch einmal durchspielte. Wie es gewesen war, seine Finger unter meinen auf dem Schaltknüppel zu fühlen, seine Berührung zu spüren, als er meine Hand drückte, und mir kamen noch ungefähr siebenundzwanzig andere höchst unangebrachte Gedanken, darunter …
    »… muttern?«, sagte Emilio, als wir in die Einfahrt bogen.
    »Ich

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