Verlieb dich nie in einen Vargas
sagen.
»Heißt das, du verfolgst mich? Du warst bei mir zu Hause? Hast dich vielleicht sogar in mein Zimmer geschlichen?« Er kam einen Schritt näher, bedrängte mich mit seinem Weichspülerduft. Sein Atem roch nach Orangen, und einen Moment lang stellte ich mir vor, wie sein Zimmer ausgesehen haben musste, als er am Morgen aufwachte … Graues T-Shirt über der Bettkante. Die Haare wild, zerzaust und wirr. Sein Morgengesicht, die tiefe, vom Schlaf noch kratzige Stimme, meine Finger, die die Narben auf seiner Schulter nachzogen, seinem Bauch …
»Hey«, raunte er. »Du musst dich nicht ins Haus schleichen. Ich würde dich reinlassen.«
Ich verschluckte mich und drohte zu ersticken. War das eine Maiskornschale? Diese Dinger konnten einem ganz schön gefährlich werden.
»Zieht dieser Mist bei anderen Mädchen tatsächlich?«, fragte ich. »Ich wette, du übst all deine Lieblingssprüche vor dem Spiegel, was?«
Emilio schüttelte den Kopf. »Ich brauch keinen Spiegel. Ich weiß, wie ich aussehe.«
»Ja, wie ein Idiot.« Ich rief nach Pancake und ging mit Emilio im Schlepptau nach draußen. Frische Luft, danach schrie die Situation geradezu. Und es war auf keinen Fall etwas, das ein bisschen Sonnenschein nicht kurieren würde.
»Sicher, dass du keine Runde drehen willst?« Emilio zeigte mit dem Daumen auf das Motorrad.
»Absolut.«
»Dein Paps war so was wie ein Roadie der ersten Stunde, richtig? Und du fährst nichts, das nicht mindestens vier Räder hat. Bist du sicher, dass du mit ihm verwandt bist?«
Ich lachte, aber die Erwähnung von Papi und seinem alten Leben zerriss mich innerlich. Ich wünschte mir, er würde anstelle dieser Bürohemden seine Ara ñ as -Jacke zu den Arztterminen getragen. Vielleicht würde der alte A-heimer den Wink verstehen und in die entgegengesetzte Richtung davonrennen, von wegen: Oh, mit diesem muchacho lege ich mich besser nicht an!
»Ich bin nun mal mit Pancake unterwegs«, sagte ich, »und der fährt kein Motorrad. Stimmt’s, Junge?« Pancake war völlig meiner Meinung, was er durch Zunge-Heraushängen-Lassen und Schwanzwedeln hinreichend bewies, als ich ihn auf dem Rücksitz des Pick-ups unterbrachte.
Emilio und ich stiegen vorne ein. Kaum dass sein Gurt eingerastet war, sah er mit großen Augen den Schaltknüppel in der Konsole zwischen uns an. »Du fährst Gangschaltung?«
Ich drückte den Knüppel runter, warf den Motor an und ließ ihn aufheulen. Dreimal.
»Ay, Dios mío , dieses Mädchen.« Emilio verdrehte die Augen, und ich zuckte mit den Achseln, als wollte ich sagen: Zur Hölle, ja. Motorräder reparieren, Autos mit Gangschaltung fahren … es gibt nichts, was dieses Mädchen nicht auf die Kette kriegt!
Ich erhaschte einen Blick auf mich im Rückspiegel, als ich rückwärts aus der Einfahrt setzte.
Ganz schön heiß.
Die Motorradhebebühne war eine riesige orangefarbene Rampe mit einer höhenverstellbaren Plattform, vermutlich für das Motorrad, und ich sah durch das Rückfenster zu, wie Emilio und Samuel sie zum Pick-up schleppten. Emilio erwischte mich dabei, wie ich ihn musterte, aber anstatt eine große Sache daraus zu machen, lächelte er nur, leise und sanft. Ich wandte den Blick als Erste ab.
Kurz darauf erschien der große Softie am Ladentisch, wo ich Duke auf den neusten Stand gebracht hatte, wie es mit der Reparatur voranging. »Bereit zur Abfahrt«, sagte er, und nachdem wir uns von Duke verabschiedet hatten, führte er mich und Pancake zur Ladentür hinaus. Seine Hand lag warm in meinem Kreuz.
Der Pick-up polterte durch Old Town und ließ die Stadtgrenze hinter sich, aber Emilio hatte noch kein Wort gesagt. Er war ganz zappelig, trommelte mit den Fingern auf seinem Oberschenkel, wippte mit dem Bein. Er kurbelte das Fenster runter und wieder rauf. Zweimal.
»Alles okay?«
»Alles gut.« Tap, tap, tap .
»Bist du sicher?«
»Yep.« Tap-tap .
»Dir ist aber schon klar, dass du dich merkwürdig benimmst, oder?«
Emilio guckte aus dem Fenster, seine Finger zogen die Reihe von Ponderosa-Kiefern nach, die den Straßenrand säumten. »Ich … Ich weiniwimaneiwamigaschafährt.«
»Wie bitte?«
Er stöhnte und drehte sich zu mir um, die Kiefer fest aufeinandergepresst. »Ich weiß nicht. Wie man. Einen Wagen. Mit Gangschaltung fährt.«
»Gib etwas mehr Gas. Jetzt lass die Kupplung langsam kommen und … äh, nein. Wieder auf die Kupplung treten. Kupplung. Kupplung!«
Wir kamen stotternd zum Stehen. Zum fünfzigsten Mal? Zum hundertsten?
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