Verlieb dich nie in einen Vargas
Birch-Schwestern gemacht, wisst ihr noch?«
»Ja, um Blutsschwestern zu werden«, erwidert Celi. »Und ich war wie alt? Zehn?«
»Was ist eigentlich aus den Birches geworden?«, fragt Lourdes.
»Hände«, befiehlt Mari. »Juju, du zuerst.«
Ich strecke die Hände aus, Handflächen nach oben. Mari macht den ersten Piks mitten ins Fleisch. Anfangs sticht es, aber ich schließe die Hand und warte geduldig darauf, dass sie mit der anderen weitermacht, dann mit Lourdes’. Celis. Ihren eigenen. Als wir alle angemessen bluten, pressen wir unsere Handflächen aneinander und bilden einen engen Kreis um die Kerze. Der Erzengel Michael starrt uns mit leerem Gesicht an, sein rotes Schwert zeigt gen Himmel. Meine Schwestern sagen eine nach der anderen den feierlichen Schwur auf, und als ich an der Reihe bin, sehen sie mich erwartungsvoll an.
Ich straffe die Schultern und hole tief Luft. »Ich, Jude Hernandez, schwöre, mich niemals, nie, unter gar keinen Umständen, egal ob sie sich meiner Kontrolle entziehen oder nicht, selbst wenn das Schicksal der Menschheit davon abhängen sollte, selbst wenn mein eigenes Leben in Gefahr wäre, mit einem Vargas einzulassen.«
Eine Brise weht durch das offene Fenster herein und ein Kerzenflackern besiegelt unser Versprechen. Meine Schwestern lächeln mich an, selbst Celi scheint ein wenig heiterer.
»Ich kann nicht glauben, dass wir ein Blutsbündnis geschlossen haben«, sagt sie. »Wie alt sind wir? Zwölf? Nimm’s nicht persönlich, Juju.«
Ich zucke mit den Achseln. Es macht mir nichts aus, zwölf zu sein, jedenfalls meistens, und es macht mir definitiv nichts aus, einen Blutsschwur mit meinen Schwestern zu leisten.
»Wir müssen alle unterschreiben.« Celi setzt schwungvoll ihren Namen ans Ende der Seite. »Amtlich und bindend, bei Nichterfüllung geahndet mit …«
»Dem Tod!« Mari streckt die Faust in die Luft, als wäre sie eine Art Revolutionärin.
»Heilige Schande, Mari. Du gehörst dringend in Therapie.« Lourdes unterschreibt und reicht das Buch unserer Schwester. Sie fuchtelt mit dem Stift vor ihrer Nase herum. »Versuch niemanden damit zu erdolchen.«
Meine Schwestern kichern, als Mari vorgibt, uns mit dem Stift piksen zu wollen, aber als ich an der Reihe bin, ist es mir tödlich ernst damit. Meine Finger zittern, als ich die Seite unterschreibe. Ich habe die meisten ihrer »Sie, der ein Blick in das Buch gewährt wird«-Bedingungen noch immer nicht erfüllt – ich war noch nie verliebt, habe noch keinen versauten Film gesehen, habe nie nackt im Schein des Vollmonds getanzt –, aber heute händigen sie es mir dennoch aus. Es ruht schwer und kalt in meinem Schoß, und meinen Namen dort stehen zu sehen, erfüllt mich mit einem neuen Gefühl der Zugehörigkeit. Ich bin nun ein Teil von ihnen, festgeschrieben in dem Buch, das Celi schließlich zuklappt und mit den vielen Schuhen zurück unter das Bett schiebt.
Sie wird es mir geben, bevor sie nach New York zieht. Sie muss. Und ich werde es wie eine Ikone hüten, jeden Liebeskummer darin festhalten, sei er gering oder bedeutend. Und obwohl ich nicht weiß, was für ein Gefühl es ist, sich zu verlieben, weiß ich dies: Wenn ich das Buch endlich mit der Geschichte meines ersten gebrochenen Herzens einweihe, wird auf gar keinen Fall ein Vargas dafür verantwortlich sein.
Egal, was nach dem heutigen Abend geschieht, ich werde nie, niemals …
Das strahlende Orange der Blume war zu einem fahlen Gelb verblasst, sie war vertrocknet und in Vergessenheit geraten wie die uralten Seiten selbst. Als ich nun, da ich der Unschuld meines zwölfjährigen Ichs entwachsen war, an jene Nacht zurückdachte, wusste ich, dass Araceli tief verzweifelt gewesen war. Das Messer und das Blut und das Verbrennen von Johnnys Fotos waren bloße Requisiten gewesen, eine vorübergehende Ablenkung, um sie vor dem langen und steinigen Weg aufzumuntern, der ihr nun bevorstand. Sie musste die Verlobungsfeier absagen. Meinen Eltern und ihren Freunden erklären, warum die Hochzeit nicht stattfinden würde. Die restlichen Sachen von Johnny durchgehen, die einst miteinander geteilten Träume entwirren und neu schreiben – für einen anstatt zwei. Nach jener Nacht hatte Celi Wochen im Bett verbracht, kaum etwas gegessen und das Haus nicht verlassen. Mari verlängerte ihren Besuch bei uns, um für sie da zu sein, und Mom nahm sich frei und tat, was sie konnte.
Nachts weckten mich ihre Schluchzer auf. Sie sickerten in meine Träume, verwandelten sie in
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