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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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die Tür zu, bleibt aber wie angewurzelt stehen, als sie mich in den Schatten entdeckt. »Jujube?«
    Ich schlüpfe ins Zimmer und lehne mich an die Wand, während meine drei Schwestern mich mit einer Mischung aus Überraschung und Besorgnis mustern. Meine Wangen brennen, als sie mich alle so glühend und durchdringend anstarren, dass ich den Blick abwenden muss. Ich richte ihn stattdessen auf die Blüte aus Celis Haar, die achtlos zu Boden geworfen wurde. Ihr Orange leuchtet wie etwas Lebendiges auf den verwitterten Eichendielen.
    »Alles ist gut«, sagt Lourdes. »Geh wieder ins Bett. Celi geht es nicht besonders, aber sie kommt wieder in Ordnung.«
    »Sobald ich meinen Drink habe.« Celi macht erneut Anstalten, das Zimmer zu verlassen, aber Lourdes packt ihre Hand, und sie fällt aufs Bett, der Kummer kehrt in ihr Gesicht zurück. »Ich hasse ihn!«
    »Oh, Süße.« Mari setzt sich neben Celi und massiert ihr kreisend den Rücken. »Ich weiß, ich weiß. Ich hasse sie auch.« Sie sieht zu Lourdes hoch. »Für euch beide. Wie konnten sie uns das antun?«
    Meine Haut prickelt und ich reibe mir über die Arme. Verschwommene Bilder vergangener Jahre ziehend flackernd an meinem inneren Auge vorbei. Lourdes in einem zitronengelben Abschlussballkleid mit Spaghettiträgern und weißen Rosen, die an der Schulter festgesteckt sind. Ein Junge an der Tür, dunkelhaarig und gut aussehend, mit dem Lächeln eines Wolfes. »Das ist mein Freund, Miguel«, sagte sie. Mom und Papi, die Fotos machen. Eine Limousine voll mit Mädchen wie pastellfarbene Blumen und Jungen im Smoking, die zum Tanz davonbraust.
    Und dann das gelbe Kleid zerknüllt auf dem Badezimmerboden, weiße Rosen, die am nächsten Morgen zerdrückt im Müllschlucker liegen. Spätnächtliches Gemurmel noch wochenlang. Miguel Vargas – scheußlich, grausam, herzlos – hatte versucht, Lourdes beste Freundin anzugraben, mitten auf der Tanzfläche, während sie auf der Toilette neues Lipgloss auftrug. Ich war zu der Zeit gerade mal sechs, aber selbst ich wusste, was das bedeutete.
    Sie waren monatelang zusammen gewesen und dann war es vorbei. Aus. Terminado.
    Ich nähere mich langsam Celis Bett. »Was ist mit John …«
    »Sch!« Mari hebt den Zeigefinger. »Sprich seinen Namen nicht aus. Widerlicher, mieser Bastard!« Sie tut so, als würde sie dreimal spucken. Celi richtet sich wieder auf und kopiert das angetäuschte Spucken. Sie versucht zu lächeln, entfesselt aber stattdessen eine Flut aus neuen Tränen, bei deren Anblick sich mein Herz zusammenkrampft. Celi heult ständig wegen irgendwas – weil sie einen Ohrring verloren hat, weil Moms und Papis Hochzeitstagskuchen verbrannt ist, weil sie den Schnulzfilm der Woche guckt. Aber ich habe sie noch nie so verzweifelt erlebt, so vollkommen am Boden zerstört.
    Lourdes und Mari setzen sich zu Celi aufs Bett und legen ihre Arme um sie, halten sie aufrecht, und ich drücke den nackten Fuß meiner Schwester, eine vergleichsweise unzureichende Geste, die mir das Gefühl gibt, eine kleine graue Maus zu sein.
    »Er hat mir das Herz gebrochen«, wispert Celi. »Ich werde nie wieder jemanden lieben.«
    »Oh, ist ja schon gut«, sagt Mari. »Du musst deine Seele von diesem widerwärtigen, abgrundtief Bösen reinigen. Ein Ritual. Wir müssen uns für immer von dieser Familie befreien.«
    Lourdes verdreht die Augen, aber wenn Mari auf einem ihrer selbst ernannten Kreuzzüge ist, kann sie niemand aufhalten.
    »Hol eine von Moms Kerzen, Juju«, befiehlt Mari. »Die von Erzengel Michael. Und ein Obstmesser brauche ich auch.«
    Celi schüttelt den Kopf. »Das ist doch verrückt.«
    »Ist es nicht! Michael ist der Richtige, um schlechte Bande zu lösen«, sagt Mari. »Besonders die Bande zu hinterhältigen Bastarden. Deswegen hat er ja ein Schwert. Und wir haben ein Obstmesser.«
    »Ein Schwert und ein Messer? Im Ernst?« Lourdes wirft die Hände in die Luft. »Du bist so melodramatisch, Abrissbirne. Gott .«
    Mari ignoriert beide und scheucht mich hinaus auf den Flur. »Beeil dich, Juju!«
    Als ich mit den Sachen zurückkomme, zündet Mari die Kerze an und bedeutet uns, auf dem Boden darum Platz zu nehmen. »Celi, hol die Sachen von dem Widerling. Alle Erinnerungsstücke, die du finden kannst. Und schaff das Buch her.«
    Meine Haare kribbeln bis in die Spitzen. Ich weiß, welches Buch sie meint.
    Das Buch der gebrochenen Herzen.
    Celi schiebt ein paar Schuhe aus dem Weg und zieht das Buch unter ihrem Bett hervor. Die Seiten sind so

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