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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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den Kopf beim Kreuzworträtsel hätte zerbrechen sollen, um sein Gedächtnis zu trainieren. Aber Mari sah doch sicher, dass ich gut für ihn war, dass das Motorradprojekt und unsere Westernmarathons ihn glücklich machten.
    Oder sah sie das nicht?
    Ich warf ihr einen hoffnungsvollen Blick zu, und Mari berührte meine Schulter, als könne sie meine Gedanken lesen. Ihr Blick war unerwartet sanft. »Du machst hier einen tollen Job, Juju. Ich versuche nur zu helfen.«
    »Ich weiß. Du hilfst ja auch.«
    Mari strich sich eine Haarlocke hinters Ohr. »Es tut mir leid, falls ich mich gestern Abend zu sehr aufgespielt habe. Ich schätze … ich weiß auch nicht. Zu sehen, wie Emilio Vargas mit dir und Papi einen auf Kumpel gemacht hat? Twilight Zone ist echt nichts dagegen.«
    »Schon klar, aber das Motorrad bedeutet ihm superviel«, erwiderte ich. »Seit ich es entdeckt habe, ist es, als … sei er wieder jünger. Zurück in Argentinien vielleicht, so als könne er sich erinnern …«
    »Ich weiß, Juju.« Sie lächelte und drückte meine Schulter, aber das Strahlen erreichte ihre Augen nicht, und ich wartete darauf, dass sie das Buch erwähnen würde, das sie am Abend zuvor auf mein Bett gelegt hatte, oder meine Schwestern – dass wir die Sache mit Emilio besser abblasen sollten, ehe Celi und Lourdes es herausfanden.
    »Sag Papi, das Frühstück ist fertig, okay?« Mari nickte zum Wohnzimmer hinüber, wo Papi zu Good Morning America döste, und ich tat, worum sie mich bat, ohne Einwände zu erheben.
    »Nach dem Frühstück«, sagte Mari, während wir aßen, »gehen wir zum Fluss hinunter und dann …«
    »Nach dem Frühstück guckt Papi den Westernkanal«, sagte ich. Nur dass es mehr nach nampfemfrühmpfuckpapfiwempfkanampf klang, weil der Haferbrei, den Mari uns auftischte, wie Kleister schmeckte.
    »Er sollte sich nicht direkt nach dem Essen aufs Sofa fallen lassen.« Mari legte ihre Hand auf Papis Arm. »Du brauchst jeden Tag etwas körperliche Betätigung, einverstanden?«
    Er zuckte mit den Schultern, ohne von seinem Haferbrei aufzublicken, von dem er einiges auf sein Platzdeckchen gekleckst hatte, wahrscheinlich, um es nicht essen zu müssen.
    »Danach«, fuhr Mari fort, »muss ich mir ein paar Manuskripte ansehen und du und Juju könnt …«
    »An der Harley arbeiten?«, warf ich ein.
    Mari beugte sich vor, um Papi Orangensaft nachzufüllen. »Ich sag euch was. Lasst uns erst mal eine Routine entwickeln, und dann denken wir darüber nach, wie das Motorrad darin Platz findet. Einverstanden?«
    Ich öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, aber sie verhielt sich so ungewohnt vernünftig, dass ich kein Wort herausbrachte. Der Kaffee, die Medikamente, das Sudokuheft … Papi arbeitete gern an Valentina, aber vielleicht hatte sie recht. Vielleicht mussten wir mehr Zeit für Aktivitäten und Rätsel einplanen.
    Angeln und Brettspiele.
    Ich sah Papi an und wünschte, ich könnte seine Gedanken lesen, wünschte, ich könnte dem zerstörerischen Pfad des Dämons direkt in seinen Bau folgen. Ich würde ihn jagen, ihn ausräuchern und zusehen, wie er durch Papis Ohren verdampfte. Dann würde Papi ihn abschütteln wie einen schlechten Traum, von seinem Stuhl aufstehen und einmal in die Hände klatschen. ¡Bueno, queridas! Wer von euch hat Lust auf ein bisschen Spaß?
    »Mariposa, kennst du meinen Tachostand?« Papi hielt den Löffel strafend auf sein Frühstück gerichtet, als wäre es die ungenießbarste Sache der Welt. »Neunzehntausendvierhundertsechs Punkt eins. Bis auf dreihundertneunzig sind das allein meine Meilen. Ich bin durch Argentinien und Paraguay und Uruguay gefahren, neunzehntausend Meilen Straßen und Urwald und Wasserfälle und Menschen. Ich habe damit angefangen, als ich in Jujus Alter war. Wusstest du das?«
    Mari schüttelte den Kopf. Lourdes kannte die Geschichten wahrscheinlich auch nicht; er hatte nie über seine Bikerzeit gesprochen, bis ich Valentina entdeckt hatte. Ich fragte mich, ob Mom auch nur einen Bruchteil dieser vormals begrabenen Erinnerungen kannte, die plötzlich von Erde befreit ans Licht drängten.
    »Es stimmt.« Er ließ seinen Löffel in die Schüssel fallen. »Daher bin ich der Meinung, ich habe mir das Recht verdient zu entscheiden, was ich mit meinen Nachmittagen anfangen will, und heute lautet mein Entschluss, an der Harley zu arbeiten, die seit … lass mich überlegen … Wie alt ist Lourdes, Juju?«
    »Dreißig.« Innerlich feuerte ich ihn an: Zur Hölle, ja, Papi! Aber ich

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