Verlieb dich nie in einen Vargas
aber Emilio lachte nicht oder revanchierte sich mit einer schlagfertigen Antwort. Er legte seine Zange weg und sah mir in die Augen. Der Schmierfleck zog sich noch immer über sein Kinn, und ich konzentrierte mich auf seine Schwärze, während ich darauf wartete, dass er einen Witz riss, und hoffte, nicht schon wieder das Falsche gesagt zu haben.
Warum ist das alles auf einmal so schwer?
»Hey«, sagte ich. »Ich habe doch nur Spaß …«
»Komm mit mir«, flüsterte er. Er sagte es rasch und undeutlich, ich war nicht sicher, ob ich es wirklich gehört hatte. Ich blickte zur offenen Schuppentür hinaus. Draußen prasselte der Regen auf die Erde und die Espenblätter schwankten unter seinem unablässigen Ansturm. Als ich mich wieder umwandte, stand Emilio direkt vor mir.
»Ich möchte, dass du mit mir kommst. Die Straße siehst. Sag … sag einfach ja.«
»Welche Straße?«
»Jude.« Er nestelte am Saum seines T-Shirts, beschmutzte es mit Schmierfett. »Meinst du das ernst? Du weißt, welche Straße.«
»Grand Canyon?« Meine Stimme war leise und zitterte. »Das Meer?«
»Alles.«
Kein Lächeln, kein Scherz, keine Grübchen. Sein Blick war starr auf mich gerichtet, und mein Herz pochte dumpf, als ich mir ausmalte, dass wir wieder auf seinem Motorrad saßen und ich die Wärme seines Körpers wahrnahm, als wir uns in die Kurven legten, den Geruch nach Leder, den Geschmack der Sommerluft auf dem freien Highway. Ich schloss die Augen. Meine Haut kribbelte, als wären wir bereits da, als stünden wir am Rand des Canyons, während die ersten glühenden Sonnenstrahlen durch die Nebelschleier brachen. Die Felsen dort waren röter, staubiger, schroffer, so stellte ich mir vor. Ich könnte meine Arme um seine Taille schlingen und alles andere vergessen. Alles, was ich je gekannt hatte.
Ich könnte zurückblicken und zusehen, wie das lange graue Band der Straße sich auflöste, während wir zugleich in die Zukunft und in die ferne Vergangenheit brausten.
Ich schlug die Augen auf und sah mich im Schuppen um, ließ den Blick über die schief gestapelten Kartons voll staubbedeckter Erbstücke und lang vergessener Erinnerungen schweifen.
Ich könnte all das hinter mir lassen. Ich könnte mit ihm zusammen sein.
»Komm mit mir«, sagte Emilio wieder. Er holte die Schlüssel aus seiner Hosentasche und ließ sie vor meiner Nase baumeln wie eine tickende Uhr. Ein Versprechen und eine Drohung. Sein Lächeln war einmal mehr neckend und sexy, so entwaffnend wie in meinen Träumen, aber seine Augen blickten ernst. Verletzlich. Hoffnungsvoll.
Ich griff nach den Schlüsseln, und er schnappte sich meine Hand, zog mich an sich. Seine Lippen strichen über meine und jagten einen weiteren heißen Schauer über meinen Rücken.
»Meine Schwester kann jeden Moment aus dem Haus kommen!« Ich wand mich aus seinem Griff, aber mein Protest war nicht sehr überzeugend.
Er fuhr mit den Fingern durch meine Haare, brachte die Spitzen an seine Lippen. »Versuch’s nicht mal, princesa .«
»Oder was sonst?«, flüsterte ich.
Zuckende Mundwinkel. Eine gehobene Augenbraue. Grübchen, die aufblitzten. Ich schloss die Augen und seine Lippen waren auf meinen und dämpften den Wolkenbruch draußen zu einem leisen, fernen Grollen.
Er wanderte von meinen Lippen zu meinem Hals, dann hinauf zu meinem Ohr. Seine Zunge fuhr über mein Ohrläppchen, seine Zähne zupften sanft daran. Sein Atem war heiß, und mein Kopf bekam eine Gänsehaut, als er erneut sprach, tief und kratzig. »Du weißt genau, du kannst nicht genug davon kriegen, mit mir Motorrad zu fahren.«
Ich rückte von ihm ab, damit ich ihm in die Augen sehen konnte.
»Sag ja.« Emilio strich mit seinem Daumen über meine Unterlippe. Ich schmolz dahin.
»Da sind wir endlich.« Wir schraken beide zusammen, als Mari sich mit Papi unter der Schuppentür hereinduckte. Der Regen hatte nicht nachgelassen, und sie fuhr sich mit den Fingern durch das kurze Haar, um das Wasser herauszuschütteln.
»Wie steht’s? Wer hat gewonnen?« Ich schob die Hände in die Hosentaschen und hoffte, die Beweislast meiner zerzausten Haare und roten Lippen wäre nicht allzu erdrückend. Aus dem Augenwinkel sah ich Emilio an der Werkbank stehen und so tun, als suche er nach Werkzeugen, während er seinen Atem wieder unter Kontrolle brachte.
Mari hakte sich bei Papi ein. »Ich. Erinnere mich daran, nie wieder Scrabble mit ihm zu spielen – er schummelt die ganze Zeit.«
» Perro ist ein Wort«, sagte er.
»Ja,
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