Verlieb dich nie nach Mitternacht
mit meiner Geschichte nichts zu tun haben.«
»Agnes weiß Bescheid. Ich habe es ihr erzählt.«
Überrascht sah sie ihn an. »Wie hat sie reagiert?«
Er musste grinsen, als er daran dachte. »Ich soll dich zurückbringen. Sie will mir sogar dabei helfen.« Als er darüber nachdachte, schwante ihm, dass seine Frau weit klüger war, als er bislang angenommen hatte. In Maribels Augen las er die Bestätigung.
»Gute Nacht, Friedrich. Ich geh jetzt zu Bett.« Maribel lächelte ihm zu. Wie ein Hauch berührten ihre Lippen seine Wange. Doch als er sie umarmen wollte, wich sie ihm geschickt aus. Mit leichten Schritten lief sie über den Hof.
Wenn Boris sie wirklich liebte, würde er sich ihr eines Tages zu erkennen geben. Sie konnte warten.
Friedrich atmete tief und langsam durch, um seine Gedanken zu sammeln und sich zu beruhigen. Maribel forderte ihn in seiner Männlichkeit heraus. Von Tag zu Tag fiel es ihm schwerer, ihr zu widerstehen. Es steigerte seine Erregung, dass sie scheinbar ähnliche Gefühle für ihn empfand.
Ihm kam in den Sinn, dass es Maribel sicherlich leichter fallen würde, sich hinzugeben, wenn Agnes bei der Geburt ihres gemeinsamen Kindes gestorben wäre. Erschrocken bekreuzigte er sich.
Der Teufel selbst streckt seine Fühler nach mir aus.
Als er sich endlich so weit beruhigt hatte, dass seine Hand nicht mehr zitterte, füllte er die Milch für Agnes in einen Becher und verließ den Raum. Sorgfältig zog er die Tür hinter sich zu.
Erst als er allein war, tauchte Andrej aus dem Schatten eines derben Wirtschaftsschrankes auf, hinter dem er sich bis dahin verborgen hatte.
Um seine Lippen spielte ein böses Lächeln.
*
Maribel zog sich die Decke bis über den Kopf, als sie wieder in ihrem Bett lag. Nach einer Weile gestand sie sich ein, dass das Zittern nicht nur von der nächtlichen Kälte herrührte. Der Nachklang ihrer nächtlichen Begegnung mit Friedrich jagte ihr noch immer erregende Schauer über den Rücken.
Wenn sie es zugelassen hätte, könnte sie jetzt, in diesem Augenblick, in seinen Armen liegen, seine warme Haut spüren, ihm Zärtlichkeiten ins Ohr flüstern.
Aber willst du das denn wirklich?
Überrascht registrierte sie die zweifelnde Stimme in ihrem Kopf. Worauf spielte sie an? Darauf, dass Boris in seinem neuen Leben verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes war und es zu ihren Grundsätzen gehörte, nichts mit verheirateten Männern und Familienvätern anzufangen?
Bist du sicher, dass dies deine einzige Sorge ist?
Was sollte sonst noch das Problem zwischen Friedrich und ihr sein? Vom ersten Moment an hatte sie die schicksalhafte Verbindung zu ihm gespürt. Ein verwirrendes Gefühl, als würde sie ihn schon ewig kennen. Doch wenn sie ehrlich mit sich selbst war, ahnte sie in ihrem Hinterkopf auch eine Bedrohung. Das Gefühl erinnerte sie an einen Strudel: Es wirkte anziehend und gefährlich zugleich.
Das Bild Andrejs, des stolzen, unbeherrschten Kosakenführers, drängte sich in ihr Bewusstsein. In seiner Nähe schien die Luft in Schwingung zu geraten. Jeder Blick aus seinen kohlschwarzen Augen rührte tief an ihrer Seele.
Wie bei Boris.
Über sich selbst verärgert, wälzte Maribel sich in ihrem Bett herum. Wie konnte sie auch nur in Erwägung ziehen, dass zwischen Boris und Andrej eine Verbindung bestand? Zum Zeitpunkt ihres Übertritts in die Vergangenheit befand er sich Hunderte von Kilometern weit entfernt. Friedrich war es, der ihr die ausgestreckte Hand geboten hatte, als Boris sie rief.
Maribel verfluchte die winzige Stimme in ihrem Kopf, die Zweifel schürte, wo Vertrauen angebracht war. Neben ihr im Bett wachte Bertas Jüngster auf und begann zu schreien. Die Nacht war für Maribel vorüber, bevor sie richtig begonnen hatte.
XXIV
Nach und nach sickerten die Meldungen über die große Offensive der Allianz durch. Blüchers Rheinübertritt bei Caub in der Neujahrsnacht war erst der Anfang gewesen. Vom Süden bis zum Norden überquerten seine Truppen nun den Strom. Meist waren es Kosaken, die auf großen Kohlennachen oder über Pontonbrücken als Erste auf das bis dahin von Frankreich besetzte Ufer überwechselten. Sie stießen kaum noch auf nennenswerten Widerstand. Die einst ruhmreichen Truppen Napoleons lösten sich in Windeseile auf. In Scharen flüchteten die Soldaten zurück in ihr Heimatland Frankreich, das viele von ihnen seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. Nur hier und dort ließen sie es noch auf harmlosere Scharmützel ankommen.
Den Weg für
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