Verlieb dich nie nach Mitternacht
zusammenbreche.«
Nachdenklich starrte Friedrich auf die Tür, nachdem sie sich hinter Agnes geschlossen hatte. Die Stimme seiner Frau hatte traurig geklungen. Und ein wenig verbittert.
Er fluchte laut, als ein Klecks Tinte von seiner Feder auf die Papiere vor ihm tropfte.
*
Unter Friedrichs Aufsicht bemühten sich Grete und Jan, das Leben auf dem Hof trotz der Einquartierung so normal wie möglich fortzuführen.
Es war Waschtag. Aus dem Fenster ihrer Küche heraus beobachtete Grete, wie zwei der Mägde schwere Körbe mit frisch gewaschener Wäsche in den Hof trugen, um sie zum Trocknen aufzuhängen. Für einen Januartag war es ungewöhnlich mild. Die Wäsche würde in der Sonne schneller trocknen als im Haus. Sie öffnete gerade ein paar Gläser mit eingekochten Kirschen, die zusammen mit Grießbrei ein schmackhaftes Mittagessen abgeben würden. Plötzlich ertönte vom Hof her ein gellender Schrei.
»Merde.« Es war das einzige Wort, das Grete aus dem verhassten Französisch übernommen hatte. Rasch griff sie zum Nudelholz, um draußen nach dem Rechten zu sehen.
War es denn die Möglichkeit?
Auf dem Hof war eine regelrechte Schlacht um die Bettwäsche entbrannt. Kaum hatten die Kosaken bemerkt, was die Mägde da über die Leine warfen, waren sie lärmend herbeigeeilt, um die noch feuchten Tücher an sich zu reißen.
»Lasst ihr wohl meine Wäsche los, ihr verflixten Halunken!« Erzürnt hieb Grete mit dem Nudelholz auf den Rücken eines Kosaken ein, der triumphierend mit einem weißen Laken davonziehen wollte. Erschrocken duckte sich der Mann. Er stieß einen Schwall unverständlicher Worte aus, bei denen es sich dem Tonfall nach allesamt um Flüche der finstersten Sorte handelte.
Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er Grete am Handgelenk und zog sie zu sich heran. Entsetzt starrte sie in seinen geöffneten Mund, in dessen hinterster Ecke ein Goldzahn blitzte. Sein Atem roch übel, und seine Zunge schlängelte sich ihr entgegen.
Aus reinem Selbsterhaltungstrieb trat Grete ihm mit ihren hölzernen Klumpen kräftig gegen das Schienbein. Er jaulte auf vor Schmerz. Schnell wollte sie weglaufen, doch kampferprobt packte er sie an ihren Röcken, und Grete stürzte der Länge nach zu Boden. Sie versuchte aufzustehen, doch der Soldat hinderte sie daran. Sein schallendes Hohngelächter dröhnte ihr in den Ohren. Ihre Wut vermischte sich mit Angst.
Da fiel ihr Blick auf die Stiefel des Mannes. Grete spürte, wie eisiges Entsetzen ihr die Kehle zuschnürte. Sie schnappte nach Luft, drohte zu ersticken, stieß qualvolle Laute aus, die nicht von einem menschlichen Wesen zu stammen schienen. Ein verzweifeltes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle.
Erschrocken blickte der Soldat auf die Frau, die vor ihm auf dem Boden lag. Er liebte Weiber mit ihrer Klasse. Ihre kleine Prügelei hatte ihn an Zuhause erinnert. Mit seiner Frau Majelka rangelte er häufig, immer mit dem gleichen Ergebnis. Vier Kinder hatte er gezeugt, und das fünfte war unterwegs gewesen, als er sie verlassen hatte.
Doch die Frau vor ihm schien sich gar nicht beruhigen zu können. Sie schluchzte ohne Unterlass. Reumütig hielt der Soldat ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Sie zeigte keine Reaktion, sondern schluchzte immer weiter.
Als Andrejs scharfer Befehl über den Hof donnerte, zog der Soldat den Kopf ein. Dicht an seiner Seite kam Maribel zu ihnen herübergelaufen.
»Grete, steh auf. Er tut dir nichts.« Sie hockte sich neben die Ältere auf den Boden. Behutsam strich sie ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, das vor lauter Weinen schon ganz rot und verquollen aussah. Trotzdem schien sie sich noch immer nicht beruhigen zu können.
»Komm«, sagte Maribel noch einmal. Sie packte Grete unter die Arme. Mit Andrejs Hilfe half sie ihr auf die Beine. Wie eine Ertrinkende klammerte Grete sich an Maribels Hals. Maribel drückte sie an sich, begann, ihr beruhigend über den Rücken zu streichen, während sie gleichzeitig beobachtete, wie Andrej dem Soldaten barsch befahl zu verschwinden. Der ließ sich das nicht zweimal sagen. Das Laken nahm er mit.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Maribel, wie Friedrich sich näherte. Auch ihm war der Lärm nicht entgangen.
»Grete, bitte. Lass uns ins Haus gehen. Alles wird gut, ich versprech’s dir.«
Mit einem Wutschrei stieß die Köchin Maribel zurück.
»Verstehst du nicht? Er trägt seine Stiefel.«
Ihr anklagender Aufschrei ließ schließlich alle Köpfe zu ihr herumfahren. Es störte sie nicht. Mit
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