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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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herrschte ein anderer Wind.«
    »Als unter Jan?«
    Grete nickte und hievte den Kessel für den morgendlichen Haferbrei auf die glühende Herdplatte. »Michel hielt ein Auge darauf, wo die jungen Dinger sich rumtrieben. Niemals hätte er zugelassen, dass die Mädchen sich durch die Betten schliefen. Aber Jan hat ja nur seine Pferde im Kopf.«
    »Ich habe mich mit niemandem eingelassen«, entgegnete Maribel mit klopfendem Herzen.
    »Wer spricht denn von dir?«, fragte Grete erstaunt. »Lisette, das dumme Ding, kotzt sich die Seele aus dem Leib!«
    »Lisette ist schwanger?« Maribel entleerte eine Kanne mit Milch in den Topf. Grimmig schaufelte Grete mit den Händen die Haferflocken hinterher.
    »Sie gibt es nicht zu, aber ich kann eins und eins zusammenzählen.« Mit beiden Händen fasste sie den Löffel, mit dem sie Milch und Haferflocken verrührte.
    Schockiert im eigentlichen Sinne war Maribel nicht. Bei Lisettes umtriebigem Lebenswandel war eine Schwangerschaft wohl ein einkalkuliertes Risiko. Sie wunderte sich bloß, dass Lisette nicht besser auf sich geachtet hatte. Es gab doch bestimmt auch im neunzehnten Jahrhundert Mittel und Wege, um eine Schwangerschaft zu verhindern.
    Maribel zögerte kurz, doch sie sah keinen Grund, weshalb sie die Information nicht an Grete weitergeben sollte. »Lisette sagte mir, dass sie und Heinrich heiraten wollen.«
    »Pah! Schöne Ehe, wo die Braut schon vor der Hochzeit fremdgeht. Man sollte Heinrich warnen.« Die Suppe begann, Blasen zu schlagen.
    »Ich bin sicher, mein Michel lebt«, murmelte Grete, plötzlich wieder ganz in Gedanken versunken.
    *
    Maribel trat vor die Tür, um den Essensgong für das Gesinde zu schlagen. Wie unbeabsichtigt wanderte ihr Blick hinauf zu dem Fenster, hinter dem sie Andrej vermutete. Sie war ihm noch immer böse, weil er sie am Vorabend so ins Kreuzverhör genommen hatte. Doch sie konnte kein Lebenszeichen von ihm entdecken. Angesichts der bevorstehenden Einquartierungen war er sicherlich damit beschäftigt, das Quartier für sich und seine Soldaten neu abzustecken. Seite an Seite zu kämpfen, war eine Sache, Seite an Seite Quartier zu nehmen, etwas völlig anderes.
    Erleichtert registrierte Maribel, dass unter Gretes Aufsicht niemand mehr wagte, sie zu schneiden. Ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten schaufelte sie das Essen in sich hinein. Die ausgefallene Abendmahlzeit hatte ihr einen knurrenden Magen beschert. Plötzlich stutzte sie. Ihr gegenüber rührte Berta, die Mutter des Schweinejungen, gedankenverloren in ihrem Brei. Neben ihr kauerten die Kinder wie die Orgelpfeifen auf der Bank. Von Zeit zu Zeit schob Berta einem der jüngeren Geschwister einen Löffel Brei in den Mund. Sie selbst rührte kaum etwas an. Immer wieder schien sie nach oben, hinauf in den ersten Stock, zu lauschen.
    Ihre Blicke begegneten sich. Berta schien etwas sagen zu wollen, doch ein Blick hinüber zu Jan verschloss ihren Mund. Bei Tisch wurde nicht gesprochen.
    Nachdenklich aß Maribel weiter. Über was machte Berta sich Sorgen? War es nicht längst Zeit, Wilhelm zu stillen?
    Ein gellender Schrei riss alle von den Plätzen.
    Agnes erschien auf dem oberen Treppenabsatz. Mit weit aufgerissenen Augen, bleich wie das Nachthemd, das sie trug.
    »Wilhelm!« Mehr brachte sie nicht heraus.
    Grete und Maribel stürzten die Treppe hinauf. Lisette und die Amme folgten ihnen auf dem Fuß. Kraftlos sank Agnes auf dem oberen Treppenabsatz in sich zusammen. Gerade noch rechtzeitig, um sie vor dem Hinunterfallen zu bewahren, fing Grete sie auf.
    »Wilhelm.« Wie ein eisiger Hauch drang Agnes verzweifeltes Stammeln in ihre Köpfe.
    Maribel lief an ihr vorbei geradeaus in das Zimmer des kleinen Jungen. Wieder einmal verfing sie sich in ihren Röcken, doch diesmal schenkte sie dem keine Beachtung. Grete befahl Lisette, bei Agnes zu bleiben. Sie selbst folgte Maribel ins Kinderzimmer.
    Schwer lastete die Stille im Raum. Maribel beschlich eine schreckliche Vorahnung, als sie sich vorsichtig dem kleinen Bett mit den liebevollen Verzierungen näherte.
    »Wilhelm, Lieber. Warum jagst du deiner Mutter einen solchen Schreck ein?« Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Der Körper des Kindes war dunkel angelaufen, die Leichenstarre bereits eingetreten. Es gab keine Rettung mehr.
    Hinter Maribels Rücken bekreuzigte sich Grete. »Mutter Gottes, nimm dich seiner an.«
    Maribel, die ihren Glauben spätestens beim Tod ihrer Mutter verloren hatte, folgte ihrem Beispiel nicht. Ihre Brust krampfte

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