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Verlieb dich nie nach Mitternacht

Verlieb dich nie nach Mitternacht

Titel: Verlieb dich nie nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Kent
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herausfinden, hinter welcher Maske, unter welcher Verkleidung Boris sich vor ihr verbarg. Für sie war es an der Zeit zu gehen. Je eher sie aus dem neunzehnten Jahrhundert zurück nach Hause kehrte, desto weniger Zeit blieb ihr, weitere Menschen durch ihre Anwesenheit zu verletzen.
    Vielleicht bildete sie sich ihre sexuellen Verwirrtheiten und Liebesgefühle auch nur ein? Aus Einsamkeit.
    Morgen würde Friedrich ihr helfen, die Zeitschwelle zu finden. Es musste gelingen. Das neunzehnte Jahrhundert war ihr fremd und würde es vermutlich immer bleiben. Sie gehörte nicht hierher. Wohl aber Friedrich, der mit seinen altmodischen Ansichten vom Wert eines Mannes, der sich nur über seinen Grundbesitz bestimmte, längst seinen Platz gefunden hatte.
    Armer Friedrich, was würde er wohl tun, wenn er sich wie sie unerwartet in einem fremden Zeitalter wiederfände? Wenn er wie so viele Männer morgens das Haus mit einem Aktenkoffer in der Hand verlassen müsste, um ins Büro zu gehen? Als Bankbeamter oder als Versicherungskaufmann?
    Fast widerwillig lächelte Maribel.
    »Sie verstoßen gegen die Sicherheitsbestimmungen, Madame.«
    Maribel wirbelte herum. Ein Mann löste sich aus dem Schatten eines Baumes. Wie es seine Angewohnheit war, hing Andrej abseits der Truppen seinen Gedanken nach. Sie lachte auf, als sie ihn erkannte, doch es klang gekünstelt. Er bemerkte den falschen Ton.
    »Nervös?«
    »Welchen Grund sollte es dafür geben?«
    »Nun, es ist dunkel. Das Käuzchen ruft. Und du bist mit einem Mann zusammen, der dir nicht ganz gleichgültig ist.«
    Zum Glück verbarg die Dunkelheit, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Wieder wurde sie von dem seltsamen Prickeln erfasst, das sie in seiner Nähe stets spürte.
    »Solche Gespräche sind gefährlich und führen zu nichts«, blockte sie ab. »Wir sollten unsere Kontakte auf meine Vermittlerdienste beschränken.«
    »Schade. Ich hoffte, du erweist mir eine ähnliche Gunst wie meinem Vorgänger Boris.« Das Weiß in seinen Augen leuchtete verräterisch. Amüsiert beobachtete er, wie sie erstarrte.
    »Boris? Woher weißt du?« Sie stockte, als sie sein breites, selbstgefälliges Grinsen entdeckte. »Lisette! Wie kommt sie dazu …«
    Sein Grinsen reichte mittlerweile von einem Ohr zum anderen.
    »Dieses geile Luder! Du hast mit ihr geschlafen!« Ihre Empörung nahm Maribel den Atem.
    »Madame bedienen sich einer ungewöhnlichen Ausdrucksweise.«
    »Rutsch mir den Buckel runter!«
    Lachend hielt er sie am Arm zurück. »Sieh mal an, Madame Unnahbarkeit zeigt Gefühle. Du entpuppst dich ja als richtige Furie.«
    Sie spuckte ihm vor die Füße. »Dann pass auf, dass die Furie dir nicht das Gesicht zerkratzt, und lass mich gefälligst los!«
    Er tat ihr nicht den Gefallen. Stattdessen zog er sie näher an sich heran. So nah, bis ihr Mund nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt war.
    »Darf ich fragen, weshalb du dich so aufregst?« Der heisere Klang seiner Stimme trieb ihr kalte Schauer über den Rücken.
    »Ich hasse Unehrlichkeit! Lisette hat mein Vertrauen missbraucht.«
    Er lachte leise. »Und es stört dich nicht, dass wir miteinander geschlafen haben?«
    »Nein!«, stieß sie eine Spur zu schnell hervor. »Ich halte es allerdings für wenig ehrenwert, mit der einen Frau zu schlafen und die andere …«
    …verführen zu wollen, hatte sie sagen wollen, doch sie verschluckte es gerade noch rechtzeitig. Seinem wissenden Grinsen nach zu urteilen, kannte er auch so die Antwort.
    »Lisette kann sehr entgegenkommend sein«, sagte er.
    »Eine Trophäe an deinem Gürtel?«
    »Wirfst du mir vor, dass ich ein Mann bin?«
    »Nein. Aber ich habe geglaubt, du bist ein Ehrenmann. Deine Hände …«
    »Weißt du, wozu diese Hände gut sind, wenn sie nicht töten? Oder Klavierspielen?« Er ließ sie los und suchte den Schutz der Dunkelheit. »Ich bin ein Dieb. Ein Gaukler. Ein Hasardeur. Mein Vater hat mich enterbt und verstoßen. Meine Mutter weinte sich um mich die Augen aus. Der Krieg hat mich vor dem Gefängnis bewahrt. Ich liebe den Krieg nicht, aber er liebt mich.« Andrej sprach in ruhigem Ton. Seine Worte trafen Maribel mitten ins Herz.
    Sprach er die Wahrheit?
    »Habe ich dich verunsichert? Das tut mir leid.« Seine Stimme triefte plötzlich vor Sarkasmus.
    Sie blickten beide auf, als vom Dorf her Pistolenschüsse zu hören waren. Automatisch begann Maribel mitzuzählen. Nach drei Schüssen kehrte wieder Ruhe ein. Sie schluckte schwer.
    In diesen Tagen waren in den Häusern

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