Verliebe dich nie in einen Rockstar
plötzlichen Wachstumsschub hatte ich ein paar Dehnungsstreifen am Bauch und meine Haut meinte, dass sie unbedingt selbst nach Sonneneinwirkung ziemlich blass bleiben musste. In der Nähe von Alex und Serena fühlte ich mich mit meinen eins dreiundsechzig eindeutig zu klein. Außerdem hatte ich noch einige andere Makel. Ich war nicht perfekt – wie niemand auf der Welt – aber ich war auch keine, die ihre Unperfektheit bedauerte. »... hübsch für jemanden, der keine Ahnung von aufreizender Mode und Make-up hat«, schloss Alex den Satz ab. »Ich würde dich jedenfalls nicht von der Bettkante schubsen.«
Ich schnaubte. »Ich nehme das mal als Kompliment.«
»Oh, Kali, das ist gar nicht gut.«
Dieses schiefe Grinsen stahl sich wieder auf seine Lippen.
Ich zuckte leicht zusammen, als sich irgendetwas in meinen Bauch bewegte. Eigentlich hätte ich ahnen müssen, dass Alex ein einziger Bakterienherd war. Was ich wohl gerade ausbrütete? Was, wenn ich Eier eines Menschenfleisch fressenden Parasiten geschluckt hatte? Okay, das war jetzt ein wenig übertrieben. Warum sah ich mir mit Nell eigentlich Horrorfilme an? Die taten meinem Verstand anscheinend gar nicht gut.
»Warum ist das nicht gut?«, wollte ich wissen. »Tut mir leid, dass du deine Jungfräulichkeit wohl mit zehn an einen Staubsauger verloren hast.«
Alex lachte laut. »Ich mag es, wenn du so scharfzüngig bist, Kali«, sagte er. »Ich frage mich, ob deine Zunge auch noch für etwas anderes gut ist.«
Automatisch rutschte ich ein paar Zentimeter mit dem Stuhl zurück, bevor mir Alex seine verseuchten Lippen wieder auf den Mund drückte.
»Warum ist das nicht gut?«, fragte ich erneut.
»Weil du jetzt auf den Geschmack kommen wirst«, erklärte mir Alex. Er sah aus wie ein Lehrer, als er mit seinen Fingern irgendetwas in die Luft zeichnete. »Ich bin mir sicher, dass es nicht gut für dich war, deine Hormone so lange zu unterdrücken. Sie wollen jetzt alle raus und das Leben in vollen Zügen genießen.« Die Gesten, mit denen Alex seine Worte unterlegte, hatten einen weiblichen Touch. Er erinnerte mich an meinen Musiklehrer, der immer Westen in zweifelhaften Neonfarben zu Haremshosen trug.
»Ich freue mich schon darauf, wenn du zu mir kommst und einen weiteren Kuss willst.« Er beugte sich näher zu mir. »Und noch einen.« Noch ein Stück. »Und am Schluss habe ich dir mehr als deinen ersten Kuss gestohlen. Ach, Kali, es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu verführen und zu verderben, bis du selbst nicht mehr weißt, was du willst.«
Ich ließ ihn so nahe kommen, dass seine Lippen die meinen fast wieder berührten. Mein erster Impuls war, ihn zu beißen, mein zweiter, ihn zu küssen. Vielleicht hatten sich tatsächlich ein paar Hormone befreit, aber die Biester würde ich schon wieder einfangen. Ich entschied mich für meinen dritten Impuls.
Als Christine nachschauen kam, warum in der Bibliothek so ein Lärm herrschte, traf sie auf mich und einen völlig verblüfften Alex, der vor einer Minute noch eine fette Ausgabe des Brockhaus in seinem Gesicht kleben gehabt hatte. Da mir das arme Buch leidgetan hatte, hatte ich es vor seinem Fall aufgefangen und es wieder im Regal eingeordnet. Es hatte seinen Dienst als Schutz gegen Alex getan. Zum Glück standen mehrere dieser Wälzer nur eine Armlänge entfernt von mir.
Ohne auf Christine zu achten, nahm ich meinen Rucksack und rauschte an ihr vorbei. Ich wollte die Bibliothek hinter mir lassen und verdrängen, dass ich meinen ersten Kuss ausgerechnet an Alex verloren hatte.
»Kali! Warte!« Ich hatte es nicht einmal geschafft, die halbe Treppe hinter mich zu bringen, als mich Alex am Arm packte. Ich fuhr auf der Stufe herum.
»Was ist denn?«, herrsche ich ihn an. In meinen Inneren staute sich Wut an. Ich kannte ihn erst seit einer Woche etwas besser und schon lag meine Welt in Scherben, als hätte er mit seiner Gitarre auf einen Porzellanschrank eingeprügelt.
»Reg dich mal ab!« Es war das zweite Mal, dass ich Alex ein klein wenig zornig erlebte. »Ich bin keiner, der auf Blümchensex steht, aber deine sadistische Veranlagung macht mir zu schaffen. Zuerst die Ohrfeige, dann der Biss und jetzt ein Buch im Gesicht.«
Ich wandte den Blick ab. Ich war nicht so! Nie wollte ich Alex wehtun, aber dieser Junge trieb mich immer mehr in den Wahnsinn mit seinen Taten.
»Hat es dir wenigstens gefallen?«, fragte Alex.
»Dir ein Buch in die Fresse zu drücken?« Erstaunt blickte ich wieder auf. »Sagen wir
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