Verliebe dich nie in einen Rockstar
und einem Rock aus abgeschlagenen Händen abgebildet. Und du findest das süß?«
Nell konnte nichts darauf erwidern, denn plötzlich stieß etwas mit einem lauten Knall gegen unseren Tisch und verschob ihn um mehrere Zentimeter nach links.
»Sorry, Mädels«, meinte Alex gelassen und setzte sich neben mich.
Kurz fragte ich mich, ob nicht jemand eine Eins vor die zwölfte Klasse gemalt hatte und ich noch in der zweiten Klasse saß. Alex hatte seinen Tisch an unseren geschoben, um neben mir sitzen zu können.
»Was soll das?«, fuhr ich ihn an. »Schieb deinen Tisch zurück!«
Ich versuchte, Alex‘ Tisch wieder an seinen Platz zu versetzen, doch der vermeintliche Rockstar lehnte sich mit seinem vollen Gewicht darauf, so dass ich ihn kaum verrücken konnte.
»Das, meine liebe Kali, nenne ich zu härteren Mitteln greifen .« Sein strahlendweißes Lächeln verriet, dass er ein fleißiger Zähneputzer sein musste, denn bei seiner Raucherei hatte ich eine Armee von gelben und verfaulten Zähnen erwartet. »Du gibst mir keine Nachhilfe? Okay. Glaub mir, ich kann dich so lange nerven, bist du mir das gibst, was ich will.«
»Bist du wirklich zwanzig?«, entgegnete ich. »Du hörst dich an wie vier. Wäääh, die böse Zoey gibt mir keine Nachhilfe, wääh. Ich muss sie nerven. Wääh, Zoey hat mir die Nase gebrochen! Letzteres ist übrigens eine Drohung.«
»Ich hab keine Angst vor einem Mädchen wie dir«, sagte Alex schulterzuckend. »Du kämpfst mit Worten, nicht mit deiner Faust.« Er griff nach meiner Hand, streckte meinen Arm und untersuchte mit Daumen und Zeigefinger meine Armmuskulatur. Seine Finger waren ganz rau und schwielig. »Nein, vor diesem dürren Ärmchen muss ich keine Angst haben.«
»Ach, fick dich!« Ich entriss ihm meinen Arm. Erst später kam ich auf die Idee, dass ich ihm dabei eine hätte reinhauen können. Na ja, nachher ist man immer schlauer, oder?
Nell neben mir zog scharf die Luft ein. »Zoey!«
Schon wieder konnte ich mir keinen Reim darauf machen, was Nell erneut zum Beinah-Hyperventilieren brachte: die Kraftausdrücke, die ich eigentlich nie gebrauchte, oder die Tatsache, dass ich Alex gerade wieder beleidigt hatte?
Ich konnte Nell nicht einmal nach dem Grund fragen, weil bereits unsere Englischlehrerin Frau – irgendein Name mit E – hereinstürmte. Im Gegensatz zur Mathematiklehrerin schien sie um einiges motivierter und lächelte ihre neuen Schüler an. Bis ihr Blick auf Alex fiel. Ihre grellrot geschminkten Lippen verzogen sich für kurze Zeit nach unten. .
»Oh, Alex. Are you here again?«, fragte sie ihn.
»Sorry, Misses Esther. I’m only here, because I wanted to have you as teacher again this year.«
Mir wurde übel. Flirtete Alex gerade mit der Englischlehrerin, die dreimal so alt war wie er?
»Horny pervert«, flüsterte ich leise, aber Alex hörte es.
»Ich bin nur nett zu der Frau, die mich großgezogen hat«, sagte er.
Ich riss schockiert die Augen auf. »Was? Sie ist deine Mutter?«
»Nö.« Er lachte leise. »Ich mag es nur, wenn du so entsetzt schaust. Das betont deine braunen Augen und deine vollen Lippen wunderbar. Ist das auch dein Gesichtsausdruck beim Orgasmus?«
Als ich Alex endlich die Ohrfeige gab, kippte Nell neben mir ohnmächtig um.
03. KAPITEL
DAS PHANTOM DER KANALISATION
Die Schulkrankenschwester musterte Alex und mich, besonders aber die halbbewusstlose Nell, mit argwöhnischem Blick. Wir hatten Nell ganze drei Stockwerke runter geschleppt. Sie murmelte leise: »Nein, nicht er ...«, vor sich hin, aber ihr Geist schien abgedriftet zu sein.
»Was ist mit ihr?«, fragte die Schwester und setzte sich eine Brille mit dicken Gläsern auf. Mit den vergrößerten Augen sah sie aus wie eine dreidimensionale Manga-Figur. »Und was fehlt euch beiden?«
Während auf Alex Wange ein hellrot leuchtender Fleck in Form meiner Hand prangte, war mein Gesicht komplett Rot angelaufen. Frau Esther hatte mich vor der ganzen Klasse sprichwörtlich zur Sau gemacht und das nur, weil ich Alex zeigen wollte, dass ich mir seine dummen Bemerkungen nicht länger anhören würde.
Damit hatte die pazifistische Frau Esther einen schlechten ersten Eindruck von mir erhalten. Ich vermisste meinen sadistischen Sportlehrer, der es liebte, wenn jemand einen Völkerball ins Gesicht bekam.
Geschadet hatte Alex die Ohrfeige nicht: Seit uns die Lehrerin vor fünf Minuten mit Nell zum Schularzt geschickt hatte, war Alex tatsächlich nett gewesen. Er hatte zwar kein einziges
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