Verlieben war nicht abgemacht - Asher, B: Verlieben war nicht abgemacht - The Pretend Wife
strickte, liefen unaufhörlich Tränen über meine Wangen und tropften auf die Wolle und auf die Jogginghose.
Mein Vater kam vom Einkaufen zurück. Auf dem Weg in die Küche sah er mich stricken. Er blieb stehen. Wollte er etwas sagen? Erschreckte ihn das Bild? Würde er mich warnen? Ich schaute nicht hoch, und er ging weiter.
Ich trauerte, aber worum, war mir nicht ganz klar. Anfangs war das nicht von Belang. Die Trauer wühlte mich innerlich auf, und das Stricken beruhigte mich ein wenig. Ich dachte, dass ich um meine Ehe trauerte, und so war es auch in gewisser Weise, doch ich war nicht sicher, ob ich das Recht dazu hatte. War es jemals eine Ehe gewesen, in der ich ganz als ich selbst gelebt hatte? Die schmerzliche Antwort darauf lautete nein. Ich hatte mich jedoch darüber definiert, und wenn ich mich auch nie wirklich zu Hause gefühlt hatte in der Rolle der Ehefrau, ging ich doch zumindest als eine bekannte Größe durchs Leben. Ich war eine Ehefrau, und dieser Status verlieh mir Sicherheit. Diese Sicherheit musste ich aufgeben.
Und damit musste ich auch Peter aufgeben. Das hatte ich ja schon auf verschiedene Weise geübt. Meine Entscheidung, Elliot Hulls Ehefrau zu spielen, der Kuss im Ruderboot und mein Beschluss, meine Ehe bei meiner Rückkehr in meine eigene Welt wie eine Wissenschaftlerin zu betrachten, waren die Entscheidung gewesen, mich auszuklinken. Hatte ich nicht gewusst, dass ich das, was Vivian mich gelehrt hatte, nur aufgeschoben hatte? Dass ich nur hinauszuzögern versuchte, mein Leben mutig und ehrlich zu leben? Ich begann zu begreifen, dass ich schon seit einer Weile auf Distanz gegangen war. Auch in der Eisdiele, als ich Elliot wiedersah. Mir wurde klar, dass mich eine Mitschuld an Peters Untreue traf. Ich sage nicht, dass ich mich mehr hätte bemühen sollen, sein Interesse an mir wachzuhalten. Zum Teufel damit! Es ist in einer Ehe nicht die Aufgabe eines Partners, die Aufmerksamkeit des anderen zu fesseln, um ihn an einem Seitensprung zu hindern – diese alte Theorie habe ich nie akzeptiert. Aber im Großen und Ganzen resultierte seine Affäre aus der Ehe, die ich gewählt, die ich mit erschaffen, von der ich jedoch nie wirklich genug gefordert hatte, die ich bequem fand anstatt bewahrenswert, auf die ich mich nie wirklich eingelassen hatte.
Auch wenn Peter mich gedrängt hatte, Elliots Ehefrau zu spielen, auch wenn er beteuert hatte, dass es ihm nichts ausmache, spürte er vielleicht doch, dass da etwas Ernstes war zwischen uns. Das machte seinen Seitensprung mit Helen zwar nicht verzeihlich, doch ich war auch nicht frei von Schuld. Wieder hörte ich im Geist seine betrunkene Stimme, den vertrauten Ton an Helens Handy: »Hast du meine Nachrichten bekommen?« Peter wollte die Affäre fortsetzen. Während er sich in Wut und Eifersucht auf Elliot hineinsteigerte, hatte er die Stirn, sich mit verführerischer Stimme bei Helen einzuschmeicheln. Natürlich dachte er, Helen hätte aufgelegt – schließlich war es ja ihr Handy gewesen –, und vielleicht hatte das seine Wut in der letzten Nacht noch gesteigert.
Und wir dürfen auch Helen nicht vergessen in diesem Drama. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich von ihr noch mehr hintergangen als von Peter. Vielleicht auch deshalb, weil ich glaube, dass Männer nicht so stark sind wie Frauen – also konnte ich einen kleinen Teil von Peters Untat als typisch männlich abtun. Helen konnte ich diesen mildernden Umstand nicht zubilligen. Ich wusste, dass meine Denkweise altmodisch und überholt war – ich wünschte, ich wäre eine bessere Feministin –, doch ihr Verrat erschien mir kalkulierter, persönlicher, heimtückischer. Immer wieder spulte ich im Geist zu ihren Worten zurück: »Ich habe Schluss gemacht. Ein für alle Mal. Es ist aus.« Damit gab sie mir zu verstehen, dass Peter, wenn es nach ihm gegangen wäre, die Affäre fortgesetzt hätte. Versuchte sie, gut dazustehen – als Heldin –, oder wollte sie mir einen weiteren Schlag versetzen? Beides wäre grausam. Meine Freundschaft mit Helen war beendet. Vielleicht könnten wir irgendwann in ein paar Jahren – oder Jahrzehnten – wieder normal miteinander reden, vielleicht sogar fast wie Freundinnen, aber das Vertrauen war unwiederbringlich zerstört. Wobei ich Glück hatte, denn ich wusste, dass Helen litt, dass sie weiter leiden würde, weil sie, was den zwischenmenschlichen Ethos betraf, sich selbst nicht über den Weg trauen konnte.
Vom Kopf her wusste ich, dass meine Ehe am Ende
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