Verliebt in den Feind?
Wir frieren sie nach der Lese ein und verlegen damit gewissermaßen den Frost ins Kühlhaus, denn bei uns wird es ja nicht kalt genug. Auf diese Weise erreichen wir fast denselben lieblich-fruchtigen Geschmack wie die Kanadier.“
„Die Winter hier sind also zu mild?“
„Hier in Hawke’s Bay ja. Auf der Südinsel ist es etwas anderes. Ich staune immer, was die Reben aushalten.“ Einen Moment musste sie daran denken, dass ihre Gefühle für lange Zeit auf Eis gelegen hatten, genau wie die Trauben. Doch durch Rafael war sie dabei, langsam aufzutauen.
Er hatte sich ihr gegenüber so zuvorkommend und geduldig verhalten, dass sie ihm etwas zurückgeben wollte. Wo sich die Tagebücher befanden, nach denen er suchte, konnte sie ihm nicht sagen, das war eine Sache zwischen Phillip und ihm. Aber sie konnte ihm ihr großes Geheimnis anvertrauen und damit vielleicht ihr widersprüchliches Verhalten erklären. All ihren Mut zusammennehmend, begann sie: „Ich habe dir doch erzählt, dass Heath mir während meiner Studienzeit zu einem Aushilfsjob auf Saxon’s Folly verholfen hat.“
Rafael nickte.
„Und nach meinem Studium hat mir Phillip eine Festanstellung angeboten …“ Sie brach ab.
„Und weiter?“ Irgendetwas hatte sie auf dem Herzen …
„Es ist etwas passiert.“
Geduldig wartete er, dass sie weitersprach.
„Damals gab es hier einen Angestellten“, fuhr sie zögernd fort.
Bis zu diesem Moment hatte Rafael angenommen, dass ihn Caitlyn wegen Heath nicht näher an sich herankommen ließ. Doch es schien einen anderen Grund dafür zu geben … Gespannt setzte er sich auf. Hatte dieser Mann ihr das Herz gebrochen? „Querida, du musst mir nichts von verflossenen Liebhabern erzählen …“
„Damit hat es nichts zu tun.“ Sie atmete tief ein. „Tommy war jung und gut aussehend. Aber ziemlich eingebildet. Ein Angebertyp. Bei Frauen kam er meistens sehr gut an.“
Stirnrunzelnd wurde Rafael das Missfallen in ihrer Stimme bewusst. Nach Liebe klang das nicht gerade … „Aber du mochtest ihn nicht?“
„Nein. Weil ich …“
„Ich weiß schon. Weil du in Heath verliebt warst.“
„Ja. Obwohl mir damals schon klar war, dass ich bei ihm keine Chance hatte.“
„Warum denn nicht?“ Rafael verstand Heath einfach nicht.
„Na ja, ganz einfach. Erstens, weil ich groß und schlank bin. Heath bevorzugt kleine dunkelhaarige Frauen mit ausgeprägten Kurven. Zweitens wegen meines einfachen Elternhauses. Hier in Hawke’s Bay sind die Saxons fast so etwas wie Aristokraten.“
„Dann muss Heath ein ziemlicher Snob sein!“, warf Rafael empört ein.
„Ich glaube, der Unterschied hat mich mehr gestört als ihn.“
„Wolltest du dich mit diesem anderen Mann treffen, um über Heath hinwegzukommen?“
„Nein! Mich hat nur meine Arbeit interessiert. Ich wollte besonders gut sein, um nach dem Studium fest angestellt zu werden.“
Klar. Mit ihrer Zielstrebigkeit hatte sie ja schließlich auch Erfolg gehabt.
„An jenem Abend habe ich länger gearbeitet. Es war niemand mehr da … nur noch Tommy. Wegen der Hitze trug ich Shorts und ein leuchtend gelbes Tanktop. Ich weiß alles noch ganz genau.“
Rafael, der ahnte, worauf ihr Bericht hinauslief, nahm betroffen ihre Hand. Sie fühlte sich kalt an. „Er hat versucht …“
„… mich zu küssen. Es hat mir nicht wirklich etwas bedeutet, aber weil ich mit dreiundzwanzig noch keinen Freund hatte … Ich war neugierig und wollte endlich mitreden können. Ein Kuss kann ja nicht schaden, dachte ich.“
„Doch es blieb nicht dabei?“
„Richtig.“ Als sie ihn ansah, wirkte ihr Blick gehetzt, als ob sie alles noch einmal erleben würde. „Er versuchte, mich zu berühren. Ich fühlte mich so erniedrigt. Als ich ihn bat, aufzuhören, hat er nur gelacht und mich beschimpft. Es war grauenvoll.“ Sie schlug die Hände vors Gesicht, ihre schlanken Finger zitterten.
„Caitlyn …“, sagte Rafael tröstend. „Er ist nicht hier. Der Mistkerl wollte dich einschüchtern, damit du tust, was er verlangt hat. Denk nicht mehr an ihn. Lass nicht zu, dass er noch immer Macht über dich hat.“
Sie atmete zitternd aus und ließ die Hände sinken. Ihre sonst so klaren Augen wirkten düster. „Ich weiß schon. Du hast ja völlig recht. Aber es geht nicht nur um das, was er gesagt hat …“
„Hat er dir etwas angetan?“, fragte Rafael bestürzt. „Dich vergewaltigt?“
„Nein, nein, das hat er nicht getan. Aber ich fühlte mich danach einfach so beschmutzt
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