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Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Titel: Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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sein Land möglichst gut anbaut. Denn letzterer hat davon selber Vorteil. Und komischerweise gilt in unserer verzwickten Moral stets diejenige Tugend für zweifelhaft, die ihrem Inhaber selber wohltut und nützt!
    Warum eigentlich? Weil wir gewohnt sind, Vorteile immer auf Kosten anderer zu erjagen. Weil wir voll Mißtrauen meinen, immer gerade das begehren zu müssen, was ein anderer hat.
    Der Wildenhäuptling hat den Glauben, die Lebenskraft der von ihm getöteten Feinde gehe in ihn selber über. Liegt nicht dieser selbe arme Negerglaube jedem Krieg zugrunde, jeder Konkurrenz, jedem Mißtrauen zwischen den Menschen? Nein, wir wären glücklicher, wenn wir den braven Bauer mindestens dem Soldaten gleichstellen würden! Wenn wir den Aberglauben aufgeben könnten, das, was ein Mensch oder ein Volk an Leben und Lebenslust gewinne, müsse unbedingt einem andern weggenommen sein!
    Nun höre ich den Lehrer sprechen: »Das klingt ja sehr hübsch, aber bitte betrachten Sie die Sache einmal ganz sachlich vom nationalökonomischen Standpunkt aus! Die Weltproduktion ist –«
    Worauf ich erwidere: »Nein, danke. Der nationalökonomische Standpunkt ist durchaus kein sachlicher, er ist eine Brille, durch die man mit sehr verschiedenen Ergebnissen schauen kann. Zum Beispiel vor dem Kriege konnte man nationalökonomisch beweisen, daß ein Weltkrieg unmöglich sei oder doch nicht lange dauern könne. Heute kann man, ebenfalls nationalökonomisch, das Gegenteil beweisen. Nein, laßt uns doch einmal Wirklichkeiten denken, statt dieser Phantasien!«
    Es ist nichts mit diesen »Standpunkten«, sie mögen heißen, wie sie wollen, und sie mögen von den fettesten Professoren vertreten werden: Sie sind alle
     Glatteis. Wir sind weder Rechenmaschinen noch sonstwelche Mechanismen. Wir sind Menschen. Und für Menschen gibt es nur einen natürlichen
     Standpunkt, nur einen natürlichen Maßstab. Es ist der des Eigensinnigen. Für ihn gibt es weder Schicksale des Kapitalismus noch des
     Sozialismus, für ihn gibt es kein England und kein Amerika, für ihn lebt nichts als das stille, unweigerliche Gesetz in der eigenen Brust, dem zu
     folgen dem Menschen des bequemen Herkommens so unendlich schwerfällt, das dem Eigensinnigen aber Schicksal und Gottheit bedeutet.
    1919
    W ir haben seit einer guten Weile fast alles vergessen, was die großen Lehrer der Menschheit gefunden und
     gelehrt haben. Sie lehren ja alle das Gleiche, seit Jahrtausenden, und jeder Theologe oder auch jeder humanistisch Gebildete könnte es uns mit
     klaren Worten sagen, einerlei, ob er mehr zu Sokrates oder zu Lao Tse, mehr zu dem leidlos lächelnden Buddha oder zu dem Heiland mit der
     Dornenkrone neigt. Sie alle, und überhaupt jeder Wissende, jeder Erweckte und Erleuchtete, jeder wahre Kenner und Lehrer des Menschentums hat das
     Gleiche gelehrt, nämlich daß der Mensch sich nicht Größe noch Glück, nicht Heldentum noch süßen Frieden, daß er sich überhaupt nichts wünschen
     soll, nichts als einen reinen, wachsamen Sinn, ein tapferes Herz und die Treue und Klugheit der Geduld, um damit so Glück wie Leiden, so Lärm wie
     Stille zu ertragen.
    Aus der »Ansprache in der ersten Stunde des Jahres 1946«
An die Schönheit
    G ib uns deine milde Hand!
    Von der Mutter Hand gerissen
    Irren wir in Finsternissen
    Kinder durch ein fremdes Land.
    Manchmal wenn es dunkel war,
    Schenkte eine Heimatweise
    Deiner Stimme wunderbar
    Licht und Trost der bangen Reise.
    Wandrer ohne Ziel und Pfad
    Irren wir in dunklen Weiten;
    Wolle du uns gnädig leiten,
    Bis der große Morgen naht!
    1900
Italienische Nacht
    I ch liebe solche bunt beglänzten Nächte
    Im Flackerlicht der Lampen, und ich flechte
    Gern meiner Lieder fiebernd Rot darein.
    Sieh, Liebste, wie sich dort die Jugend drängt
    Im späten Tanz, und wie für uns allein
    Der Sichelmond im Rauch der Fackeln hängt.
    In solchen Nächten lauscht mein zitternd Herz
    Mit Qual und Lust heimat- und jugendwärts,
    Und schlägt im Takt verliebter Melodien.
    Mein Auge aber schaut den fremden Mond
    Im Silberkahn auf sichern Wegen ziehn
    Und ist wie er der Einsamkeit gewohnt.
    Sieh, meine Jugend war ein farbig Spiel,
    Ein Tanz im Fieber, wild und ohne Ziel,
    Und schwand verknisternd wie ein Meteor.
    Dann kreuzt ich unstet durch die Welt und fand
    Dem Haupt kein Lager, meinem Lied kein Ohr,
    Und nur im Traum ein blasses Heimwehland.
    Schau dort! Die heiße Menge wogt im Tanz
    Und glüht vor Lust und wirft den Loderkranz
    Der kurzen Freude

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