Verliebt in eine Gottin
herausholte und füllte. Sie schob einen Keks in den Mund. In ihrem augenblicklichen Zustand – jenseits von Gut und Böse – konnten auch die Kekse ihr nicht mehr schaden. Himmlisch. Verliebt. Was soll’s. Wer hätte das gedacht?
»Ihr wart ganz schön laut«, grollte Bowser von seinem Kissen aus. »Ich musste mich in die Gaststube zurückziehen.«
»Tut mir leid, Baby«, erwiderte sie. Sie knabberte an einem zweiten Keks und warf Bowser auch einen zu. Er fing ihn gekonnt aus der Luft, biss ihn vorsichtig entzwei und ließ eine Hälfte vor Ziggy fallen. »Ich habe mich verliebt. Ist das zu glauben?«
»Hätt ich dir schon vor Wochen sagen können«, brummelte Bowser. »Menschen machen manchmal alles so kompliziert.«
»Ich hätte auf dich hören sollen.« Sie streckte sich und holte vom Kühlschrank die Hundebiskuits herab, die sie am Vortag gebacken hatte. »Die hier sind besser für euch.«
Nun saß auch Ziggy aufrecht und wedelte wild. »Keks«, bellte er. »Will’n Keks. Abby Keks.«
Sie kniete sich hin und kraulte Ziggy den Kopf, während sie ihm seinen Hundekeks gab. »Abby ist verliebt, Ziggy«, sagte sie dabei.
»Keks«, sagte Ziggy eingleisig. »Mag Kekse, un’ wie. Abby Kekse.«
»Gib ihm nicht zu viel«, mahnte Bowser. »Er kriegt nicht genug Bewegung.« Bowser nahm seinen eigenen Keks ganz vorsichtig ins Maul und verschluckte ihn dann mit einer einzigen Bewegung.
Abby hörte den Lärm von der Gaststube. Draußen goss es noch immer in Strömen – wenn überhaupt, war der Regen noch dichter geworden. Gelegentlich ertönte Donnergrollen über den Geräuschen der Gäste, und es sang jemand, aber es war nicht Noah. Abby seufzte. Zwischen Daisy und Noah stimmte es nicht mehr, und das schon seit Veras Tod. Aus irgendeinem Grund sorgte Abby sich, je glücklicher sie sich selbst fühlte, umso mehr um Daisy.
Sie setzte sich ans hintere Ende der Arbeitsplatte, versuchte dabei, nicht daran zu denken, was sie noch vor ein paar Stunden dort getrieben hatte, und zog das urnenartige Keramikgefäß mit der Mixtur zu sich heran. Sie leuchtete noch immer blau – es hatte sich nichts abgesetzt und nichts verändert. Aus einem Impuls heraus griff sie nach Gens Hefe und streute ein wenig davon hinein. Dann nahm sie den hölzernen Honiglöffel und rührte um …
Die Mixtur begann zu brodeln und zu glühen. Winzige Funken, genau wie der bernsteingelbe Zucker, tanzten obenauf, und sie beobachtete, wie die Farbe sich wieder zu Schmutzigbraun wandelte, dann zu einem kraftvollen Bernsteingelb, zu einem tiefen Rot und schließlich wieder zu einem Lapislazuliblau. Die Mixtur blubberte, zischte, und Abby erwartete schon halb, dass es ein Feuerwerk gab. Doch sie beruhigte sich schließlich, und Abby hob den Holzlöffel an die Lippen und kostete.
Oh Gott! Es war nicht das Tempeltonikum, es war nicht einmal so ähnlich – es war viel besser. Die Macht strömte durch ihren Körper, eine Woge der Lust und des Wohlgefühls, die jeden Zoll ihres Körpers zu durchdringen schien. Sie schloss die Augen und genoss es, ließ den Löffel dabei sinken. Es war zu machtvoll, um damit herumzuspielen – weiß Gott, was geschehen könnte, wenn sie einen ganzen Becher voll davon trinken würde. Sie hatte nicht die Absicht, jetzt, wo sie die Liebe ihres Lebens gefunden hatte, den Traum ihres Herzens, plötzlich wegen einer Überdosis eines magischen Tonikums aus ihren Schuhen zu kippen.
Und sie würde auch nicht einen solch starken Stoff einfach herumstehen lassen. So zog sie eine große Weinkaraffe und einen Trichter hervor und begann, das neue Tonikum hineinzugießen. Staunend beobachtete sie dabei, wie die Flüssigkeit immer wieder ihre Farbe wechselte, von Blau zu dem tiefen Rot und zu Bernsteingelb, und die bernsteingelben Funken tanzten überall.
Sie schraubte den Deckel fest zu und verstaute das Ganze sicher in einer Ecke. Anschließend trug sie das alte Urnengefäß zum Spülbecken. Später, wenn die anderen hier wären und sie gerade nicht an Christopher dachte, wie er nackt in ihrem Bett lag, oder, noch verführerischer, nackt in ihrer Dusche stand, würden sie das Tonikum und seine Wirkung auf sie alle testen. Allerdings konnte sie sich in diesem Augenblick nicht vorstellen, dass sie jemals nicht den größten Teil ihrer Gedanken Christopher schenken würde.
Die Stunden schlichen so langsam dahin, dass sie am liebsten vor Ungeduld geschrien hätte. Einmal gab sie der Versuchung nach und schlich sich nach oben in ihr
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