Verliebt in einen Gentleman
ehrlich“, sagt meine Mutter, „die lustige, quirlige Lea hat mir besser gefallen.“ Ihre Stimme stockt. „Sie fehlt mir.“
Ach du Schreck! Jetzt glitzern Tränen in ihren Augen, und das zu Weihnachten.
Vielleicht hat es was mit den Wechseljahren zu tun. In einer Frauenzeitschrift habe ich mal gelesen, dass man dann nah am Wasser gebaut hat.
Mein Vater legt einen beruhigenden Arm um ihre Schulter und sagt: „Na, na, Elsa!“ Mir sagt er: „Du behauptest, du bist zufriedener, Lea. Wir müssen dein Wort dafür nehmen, aber nimm es mir – wiederum – nicht übel, wenn ich sage, dass du nicht sehr zufrieden wirkst.“
Ich zucke mit den Schultern. „Bestimmt liegt es daran, dass mein Liebster mir so sehr fehlt. Anders kann ich mir das nicht erklären. Höchstens, dass er auch einen beruhigenden Einfluss auf mich hat. Er mag nicht, wenn ich eine Ulknudel bin. Er mag es, wenn ich damenhaft und erwachsen bin. Ich lerne sehr viel von ihm. Ihr könnt ganz beruhigt sein.“
Aber meine Eltern sehen ganz und gar nicht beruhigt aus. Ich beschließe, das Thema zu ändern und sage: „Seid ihr denn kein bisschen neugierig, was ich euch schenke? Jetzt packt doch endlich eure Päckchen aus!“
Mit dem Smartphone haben meine Eltern genau ins Schwarze getroffen. Bis jetzt habe ich in diesen Ferien ziemlich viel Trübsal geblasen. Ethan fehlt mir. Meine Eltern zupfen an mir herum und mutmaßen irgendetwas, das gar nicht da ist. Meine ganzen Freunde und Bekannten „machen“ zur Zeit auch „in Familie“ und haben keine Zeit oder Lust, etwas mit mir zu unternehmen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich durch meinen Auslandsaufenthalt aus ihrem Blickfeld gerückt bin, und umgekehrt.
Es macht mir einen Riesenspaß, mich mit meinem Handy in mein Zimmer zu verkriechen und mich durch die Gebrauchsanweisung durch zu arbeiten. Klar, eigentlich müsste ich für mein Examen arbeiten, aber zur Zeit bin ich irgendwie nicht so richtig motiviert.
Ich lade Apps herunter, bis der Speicher meines Smartphones ächzt und protestiert. Ich tobe
los
in die Stadt, kaufe eine größere Speicherkarte und lade weiter herunter. Ich lade mir meine Examenslektüre herunter und stelle fest, dass man auf dem kleinen Bildschirm sogar ganz gut lesen kann. Vielleicht sollte ich mir zu meinem Geburtstag sogar so ein Kindle-Dingens wünschen. Dann könnte ich die vielen Paperbacks verschenken und mit leichtem Gepäck reisen. Ich hätte mir lieber so etwas von Ethan wünschen sollen. Meine Finger tasten nach der Goldkette an meinem Hals. Für das Geld, das die blöde Kette gekostet hat, hätte ich mindestens drei Lesegeräte kaufen können. Aber Ethan hätte sich mit Sicherheit geweigert, mir so etwas zu schenken. Na, ja, ein romantisches Geschenk wäre das auch nicht gerade gewesen...
Aber irgendwie toll. Es hätte gut zu mir gepasst.
Ich logge mich bei Facebook ein und gucke, was meine Freunde alle so machen. Eine meiner Freundinnen hat ihren Beziehungsstatus von „Single“ auf „In einer Beziehung“ geändert. Hey, das kann ich doch auch! Ich gehe auf mein Profil und ändere meinen eigenen Beziehungsstatus auch von „Single“ auf „In einer Beziehung“. Und in was für einer! Ha, wenn ich nur ein Foto von Ethan hätte – das würde in meinem Freundeskreis so richtig Furore machen.
Ethan hat auch ein Smartphone. Jetzt kann ich loslegen, und mit ihm chatten so oft ich will. Sobald ich das Programm installiert habe, geht es los.
Ich schreibe ihm gleich beim Frühstück, dass er mir fehlt. Ich habe ein Foto von unserem Weihnachtsbaum gemacht, der nach fast einer Woche immer noch richtig gut aussieht, obwohl meine Mutter sagt, dass er zu nadeln beginnt, und wir nicht dran stoßen sollen. Ich sende ihm Links zu spannenden YouTube-Filmen, die ich beim Surfen entdecke, ruhig auch Sachen über die Jagd und so. Ich weiß, dass ihn das interessieren wird.
Ethan lässt meinen Überschwang genau fünf Tage über sich ergehen, dann meldet er sich telefonisch, was für ihn eher ungewöhnlich ist. Meistens muss ich anrufen.
„Schön, dass du zu Weihnachten ein Smartphone bekommen hast“, beginnt er die Unterhaltung. „ Ich freue mich für dich, aber könntest du es bitte ein bisschen weniger benutzen?“
„Wieso? Ich denke, du freust dich mit mir.“
„Liebes Mückchen, ich kann nirgendwo sein, nirgends hingehen. Immerfort schnurrt und klingelt mein Handy. Allmählich wird es zu viel. Meine Freunde machen sich schon lustig über mich,
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