Verliebt in einen Gentleman
Entscheidungsfreiheit aus meinen Händen reißen.“
„Mückchen“, sagt er, lehnt sich vor und sieht mir amüsiert in die Augen, „warum eigentlich nicht? Einer muss doch für dich entscheiden. Einer muss dafür sorgen, dass du keine Dummheiten machst.“
So weit ist es gekommen, denke ich. Die totale Entmündigung ist keine zwei Schritte entfernt.
Also sage ich: „Nein, das geht nicht. Ich bin nicht einfach irgendein niedliches Insekt. Ich bin eine selbständige Person und durch und durch erwachsen.“
„Oh doch, du BIST niedlich“, murmelt Ethan, „sogar so sehr, dass ich gute Lust hätte, die Speisekarte zurückzugeben und mit dir oben in ein Zimmer zu gehen.“
Doch jetzt platzt mir der Kragen. Ich knalle meine Menü auf den Tisch und fauche: „Gerne können wir die Speisekarte zurückgeben. Aber dann geht es heraus zum Auto und heim nach Gatingstone.“
Ethan wirkt regelrecht erschrocken. „Was ist denn nur los, Lea?“ (Jetzt sagt er Lea.)
„Ich bin es leid, dass du mit deinen Wünschen und Vorstellungen über mich hinweg rollst, als wärst du eine Dampfwalze. Ich bin es leid, dass du mich nicht für voll nimmst, sondern auf mich herab siehst, als wäre ich irgendein lästiger Krümel, der dir auf das Revers gefallen ist.“ Meine Stimme ist schrill geworden. An den Nachbartischen drehen sich die anderen Gäste nach uns um. So etwas mag Ethan überhaupt nicht, aber im Moment ist mir so ziemlich egal, was Ethan mag, oder was nicht. Mein aufgestauter Frust muss einfach heraus, sonst platze ich. „Etwas muss geschehen. Entweder ich muss mich verändern, oder du, oder wir beide, denn eins ist klar: So, wie es zur Zeit zwischen uns ist, kann es nicht weitergehen.“
Ethan schaut mir direkt in die Augen und sagt ungerührt: „Gut, dann schlage ich vor, dass wir mit dir anfangen, vielleicht ist mehr gar nicht nötig.“
Das reicht. Ich habe genug gehört. Ich springe auf, stürme aus dem Gastsaal und lasse Ethan am Tisch sitzend zurück. Vor der Gaststätte nehme ich mit zitternden Händen mein Handy aus der Handtasche und wähle einen Taxidienst an.
Keine fünf Minuten später ist ein Taxi da und fährt mich zurück nach Gatingstone.
Ich sitze auf der Rückbank und möchte am liebsten heulen. Die Szene in der Gaststätte spielt sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab, wie bei einer fehlerhaften DVD.
Ich kann nicht glauben, dass Ethan den Satz gesprochen hat, der mir noch in den Ohren klingt:
„...dann schlage ich vor, dass wir mit dir anfangen, vielleicht ist mehr gar nicht nötig.“
Hat Ethan denn überhaupt kein Begriff davon, dass ich – seitdem ich mit ihm zusammen bin – mich sowieso schon total und völlig verändert habe? Und dass ich mich nach hinten über biege und mir ein Bein ausreiße, um ihm zu gefallen? Und dass ich mich so verändert habe, dass ich mich selbst kaum wiedererkenne?
Ich weine tatsächlich ein wenig verstohlen vor mich hin. Schnell ziehe ich ein Taschentuch heraus und versuche, das vor dem Taxifahrer zu verbergen, weil es mir ziemlich peinlich ist.
Wie, bitte schön, soll ich mich NOCH verändern? Mir fehlt die Energie und die Fantasie dazu.
Gleichzeitig bricht in mir ein Gefühl des Widerstandes auf. Ich WILL – verdammt nochmal – mich nicht mehr verändern. Wenn ich mich in irgendetwas verändern will, von ganzem Herzen, dann höchstens in die alte lebensfrohe, ausgelassene Lea, die ich einmal war, bevor ich Ethan kennengelernt habe.
Kurzentschlossen ziehe ich mein Handy aus der Tasche. Ich entscheide schnell und mit dem sicheren Gefühle, das Richtige zu machen, und schreibe zwei SMS.
Die eine geht an Ethan.
„Brauche eine Auszeit. Komme definitiv nicht mit nach Wales.“
Die andere bekommt Catherine.
„Habe mich entschieden. Komme sehr gerne mit nach Cornwall. Freue mich schon!“
Kaum sind die SMS losgeschickt, da würde ich sie am liebsten wieder zurückholen, aber die alte Lea in mir stoppt mich.
Ach ja, wenn ich schon das Handy in der Hand habe, dann kann ich ein wenig meine Lieblingsspiel machen.
Ich
daddle und daddle. Zweimal werde ich unterbrochen.
Eine SMS lautet:
„Hurra! Cornwall wird total toll mit dir. Freue mich!“
Die andere:
„Okay, wenn du meinst.“
Mehr nicht. Na schön. Das ist eine klare Antwort.
Das Taxi hält in den Weaver's Mews. Ich zahle das Fahrgeld, steige aus und gehe ins Haus.
Ich fühle mich miserabel. Vielleicht habe ich gerade den größten Fehler meines Lebens gemacht. BESTIMMT habe ich
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