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Verliebt in einen Gentleman

Verliebt in einen Gentleman

Titel: Verliebt in einen Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Ellen
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hingeworfen haben, was sie nicht mehr gebrauchen konnten.“
    Seine Schaufel klappert gegen etwas. Er bückt sich, hebt es auf und dreht es in seinen Händen. Es leuchtet grün. Er hält es gegen das Licht.
    „Schau“, sagte er, „das ist eine alte Glasflasche. Vielleicht hat man darin Öl aufbewahrt, oder Medizin.“ Er reicht mir das Artefakt.
    Tatsächlich, die Flasche sieht urig aus und wahnsinnig alt. Wahrscheinlich ist sie mundgeblasen. Das Glas ist wuchtig und knubblig. Die Flasche liegt schwer in der Hand.
    Edwin wirft die Schaufel hin. „Du kannst sie behalten. Sie ist bestimmt ein Museumsstück. Komm, wir gehen ins Haus und ich zeige dir, was ich schon alles gefunden habe.“
    Im Haus beugen wir uns über ein Kästchen. Darin liegen Porzellanscherben, weitere Glasflaschen, leere Kremdöschen mit kaum lesbaren nostalgischen Aufdrucken und sogar eine Hundemarke.
    „Vermutlich haben sie den ganzen Hund dort begraben“, sagt Edwin.
    Mich fröstelt ein bisschen.
    „So lang es nur ein Hund war“, scherze ich. „Wer weiß, wen oder was die da sonst noch verscharrt haben?“
    Der Sonntag vergeht wie im Flug.
    Am Abend schwingen sich Linda und Edwin auf Fahrräder, geben mir auch eins, und wir radeln in die Landschaft hinaus.
    Diese Gegend gefällt mir so gut. Wir radeln an niedrigen Häuschen mit Fachwerk oder buntem Putz vorbei. Ein Bauer brennt die Stoppel auf seinem Feld ab. Wir bleiben eine Weile stehen und sehen zu, wie die tanzenden Flammen sich in das Feld hineinfressen. Die Luft ist voll vom würzigen Herbstduft des brennenden Krautes.
    Erst als es dunkel und kühl wird, radeln wir zurück zur Powlands Farm. Die Gänse begrüßen uns mit ihrem aufgeregten Geschnatter.
    Nach dem Abendbrot sitzt die Familie zusammen vor dem Fernseher. Man sieht eine Sendung, in der Deutsche in Pickelhauben umherstolzieren, ihre Hacken zusammenklappen und mit ausgestrecktem Arm „Achtung“ rufen. Sie haben hochgezwirbelte Kaiser-Wilhelm-Bärte. Außerdem scheinen sie viel Anlass zur Heiterkeit zu bieten. Kulturhistorisch passt nichts so recht zusammen.
    Meine Gastgeber sehen mich verlegen von der Seite an.
    „Ich hoffe, das macht dir nichts aus“, sagt Edwin.
    Ich grinse nur. „Nein, gar nicht. Es ist aber schon ganz witzig
zu sehen, was für ein Bild ihr von uns Deutschen habt.“
    Sie lächeln erleichtert.
    Morris sagt: „Wir meinen es nicht böse. Wir wissen auch, dass ihr nicht so seid.“
    Ich sage: „Na, hoffentlich!“
    Morris fährt fort: „Aber irgendwie macht es uns Spaß, uns die Deutschen so vorzustellen.“
    Mm, denke ich, wahrscheinlich, weil die Engländer stolz darauf sind, den Krieg gewonnen zu haben. Tja, eigentlich ist es ein harmloses Vergnügen, seine europäischen Nachbarn so auf die Schüppe zu nehmen. Gleichzeitig frage ich mich aber auch, ob meine neuen Schüler sich morgen darüber wundern werden, dass ich keine Pickelhaube trage.
     
    Am nächsten Morgen gehen Linda und ich Seite an Seite die Straße entlang zur Schule. Ich habe mir für den Tag eine graue Flanellhose angezogen und einen grünen Cardigan über einer weißen Bluse. Linda hat mir bestätigt, dass ich so als Lehrerin durchgehe.
    Linda trägt die Schuluniform: einen dunkelblauen Rock, eine gelbe Bluse und einen dunkelblauen Pullover mit V-Ausschnitt.
    „Was macht man eigentlich, wenn einem gelb nicht steht?“, frage ich Linda.
    Linda schüttelt düster ihr Haupt. „Da kannst du gar nichts machen. Die Farben sind Vorschrift. Ich finde das Gelb zum Kotzen. Die Jungs haben es gut. Die haben hellblaue Hemden. Die sehen tausendmal besser aus. Ich freue mich schon auf die Sixth Form. Da dürfen wir das tragen, was wir wollen.“
    Die Sixth Form ist das letzte Schuljahr in England.
    Wir erreichen jetzt das Dorf. Es geht an kleinen Lädchen und Wohnhäusern vorbei.
    Es sind fast zwanzig Minuten her, seitdem wir bei der Farm losgegangen sind. Linda führt mich jetzt in eine Seitenstraße. Hier kommen gerade eine Menge Autos an, von Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen. Man hört Kinderstimmen rufen, lachen. Hinter einem langen Zaun befindet sich ein moderner Flachdachbau: Gatingstone School.
    Mein Herz schlägt schneller. Ich fühle mich wie ein Kind an seinem ersten Schultag, oder wie bei einem Zahnarztbesuch.
    Linda sagt: „Ich bringe dich zum Lehrerzimmer. Dann muss ich in meine Klasse. Treffen wir uns am Nachmittag und gehen zusammen zurück?“
    Ich nicke nur, weil ich zu nervös bin, um zu sprechen.
    Linda

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