Verliebt in einen Gentleman
persönlich fühle mich manchmal sogar noch sehr wie ein Teenie.“
Ich sehe sie fest an. „Ich nicht. Ich glaube schon, dass man in dieser Lebensphase uneingeschränkt zu den Erwachsenen gehört. Ich mag nicht, wenn man mich von oben herab behandelt.“
Catherine sagt: „Wenn das so ist, dann bewundere ich dich dafür, aber in unserem Alter hat man doch noch längst nicht so viel Erfahrung, und durch Erfahrung wird man erst klug. Wenn ich mich selbst kritisch betrachte, meine ich, dass ich noch eine Menge lernen muss.“
Inez sagt: „Mir geht es ähnlich. Deshalb freue ich mich über eine Gelegenheit, das zu tun, wie bei so einem Auslandsaufenthalt wie jetzt.“
Ich schweige nur. Wenn ich ihnen erzählen würde, dass ich schon bestimmte Erfahrungen im Leben gemacht habe, die mich sehr schnell sehr erwachsen gemacht haben, dann würden sie mir nicht glauben. Sie würden vielleicht nachfragen, was das denn für Erfahrungen sein sollten, und ich habe keine Lust, mit ihnen darüber zu reden.
Ich möchte nicht, dass meine neuen Freundinnen mich für arrogant halten, aber es könnte schnell passieren, wenn ich ihnen gegenüber aussprechen würde, was ich denke: Ich bin erwachsen. Ich weiß was ich will. Ich bin selbstsicher und selbstbewusst.
Inez setzt ihr Bierglas ab, legt ihren Kopf auf die Seite und sieht mich fragend an.
„Was versprichst du dir denn von so einem Auslandsjahr, Lea, wenn nicht erwachsener und klüger zu werden?“
Ja, was?
Ich muss nicht lange nachdenken, sondern erwidere fast sofort: „Ich bin wahnsinnig neugierig auf das Leben. Ich liebe es, in einem neuen Land neue Leute kennenzulernen, und neue Sitten. Das ist ungeheuer faszinierend. Ich habe manchmal das Gefühl, als müsste ich mit gierigen Händen nach dem Leben greifen, Erlebnisse sammeln, so wie andere Leute vielleicht Kronkorken oder Briefmarken, und sie sorgsam in mir abspeichern, so wie einen kostbaren Besitz.“
Beide Freundinnen sehen mich gebannt an. Was ist? Sind meine Haare durcheinander? Habe ich plötzlich einen Pickel auf der Nase bekommen?
An der Wand gegenüber hängt ein langer Spiegel, in dem ich mich sehen kann.
Da erkenne ich, dass meine Wangen ganz rot sind, und meine Augen leuchten. Anscheinend kann man die Leidenschaftlichkeit meiner Rede an meinem Gesicht ablesen.
Das macht mich verlegen. Ich nehme mein großes Bierglas und trinke daraus, damit man mein Gesicht jetzt nicht mehr so schonungslos sehen kann.
Catherine sagt sanft: „Da ist irgendetwas an dir, Lea, ich kann es nicht beschreiben. Es ist mir gleich aufgefallen, als wir uns heute früh zum ersten Mal begegnet sind. Irgendwie leuchtest du von innen, oder so. Hört sich blöd an, ich weiß, aber so kommt mir das vor.“
Inez sagt: „Ja, das finde ich auch. Es wirkt so, als ob du irgendwie glücklicher bist, als die meisten Menschen. Bist du verliebt?“
Ich setzte mein Glas ab und lache. „Verliebt? Nein, keinesfalls. Davon müsste ich selber am ehesten etwas wissen.“
Innerlich denke ich mir jedoch: Es stimmt. Ich bin verliebt, aber nicht in einen Mann, sondern in das Leben.
Ich ziehe es vor, das Thema zu ändern und frage: „Und wie steht es mit euch? Seid ihr verliebt? Habt ihr einen Freund in der Heimat?“
Der Schwenk gelingt mir.
Inez erzählt von einer unglücklichen Liebe, derentwegen es ihr leicht gefallen sei, aus Spanien wegzureisen, Catherine hat einen Freund in Frankreich, der ihr fehlt, und der traurig ist, dass sie für fast ein ganzes Jahr fort ist.
Sie holt ihr Handy heraus und zeigt uns ein Foto von ihrem Freund.
Sie sagt: „Im großen Ganzen finde ich es aber ganz gut, dass wir ein kleines Weilchen getrennt sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir heiraten werden, und dann sind wir noch unser ganzes Leben zusammen, aber bis dann möchte ich erst noch meine eigenen Erlebnisse sammeln, damit mich mein Freund ein bisschen mehr respektiert.“
Ich frage: „Wie – hast du denn Zweifel daran, dass er es tut? Auf dem Bild scheint er doch auch nicht viel älter zu sein, als du es bist.“
Catherine sagt: „Wir sind gleich alt. Wir sind in dieselbe Schulklasse gegangen.“
Ich schüttle meinen Kopf. „Und warum respektiert er dich nicht genug?“
Catherine sagt: „Na ja, weil ich halt die Frau bin. Das ist doch meistens so, oder? Die Männer meinen immer, dass sie stärker, vernünftiger und klüger sind als wir. Mein Freund behandelt mich immer so, als ob er mich vor der Welt schützen muss“, ihr Gesicht
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