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Verliebt in einen Gentleman

Verliebt in einen Gentleman

Titel: Verliebt in einen Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa Ellen
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den jüngeren Schülern rührt es mich manchmal, mit welcher Intensität und Ernsthaftigkeit sie sich mit der deutschen Sprache abmühen. Noch nie ist mir so deutlich geworden, was für eine brutal schwere Sprache die deutsche ist, wenn man sie als Ausländer lernen möchte.
    Für die englischen Schüler ist es ein ewiges Mysterium, warum in unserer Sprache die Gegenstände verschiedene Geschlechter haben.
    „Warum“, fragen sie mich immer wieder verzweifelt, „ist ein Tisch männlich, die Tafel aber weiblich, und das Fenster weder weiblich noch männlich, sondern sächlich?“
    Ja, warum? Gute Frage, denke ich.
    Sie tun mir richtig leid, denn was ich sozusagen mit der Muttermilch von Kindesbeinen an gelernt habe und beherrsche, müssen diese armen Kinder sich mühsam einprägen und auswendig lernen.
    Ich muss stets mit einem Lachdrang kämpfen, wenn ein Kind sich dermaßen im Artikel vergreift, dass es in meinen Ohren nur furchtbar komisch klingt, wie „der Huhn“ oder „das Bauer“.
    Dann beiße ich mir auf die Lippe und korrigiere sie schnell, denn ich weiß, dass ich es an ihrer Stelle auch nicht sympathisch fände, wenn die Lehrerin wegen mir einen hysterischen Lachanfall bekäme.
    Umgekehrt müssen sie aber auch manchmal lachen, wenn ein deutsches Wort gar zu sehr wie ein unanständiges englisches Wort klingt. In einer Oberstufenstunde bitte ich einen Schüler, die Fakten in einem Text zusammenzufassen. Schon feixt und lacht die ganze Klasse. Ich umschreibe „Fakten“ in Zukunft mit: „die wichtigsten Inhaltspunkte“.
    Das Wort „Vater“ kommt in den Stunden vor, in denen es um simplere Erzählungen im Familien-Milieu geht, etwa in der Mittelstufe. Auch hier drohen die Unterrichtsstunden in humorige Kicher-Veranstaltungen zu entgleisen, weil die Schüler an Flatulenzen erinnert werden. Hier gibt es leider kein Ersatzwort, und mir bleibt nur, die Schüler streng zur Ordnung zu rufen.
    Darin bin ich jedoch relativ geübt, denn in meinen deutschen Schulpraktiken wusste ich auch immer schon, was auf mich zukam, wenn ich das wichtige und unersetzliche Wort „fiction“ benutzen musste.
    Mir geht es dabei so wie wahrscheinlich allen Junglehrern auf der ganzen Welt; Ich kann mich wunderbar in die Schüler hineinversetzen und würde am liebsten nur zu gerne mitlachen, aber ich weiß, dass ich meiner Autorität damit keinen Gefallen tue, also drehe ich mich manchmal ganz schnell zum Fenster hin und hoffe, dass keiner gesehen hat, wie schlimm ich mir das Lachen verkneifen muss.
    Wenn ich bei den Seafields zu Hause von solchen Anekdoten berichte, amüsieren sie sich köstlich. Edwin fühlt sich für mich auf brüderliche Weise verantwortlich und erklärt mir manchmal sehr eindringlich, welche Gesten oder Ausdrücke in der englischen Kultur absolute „no-gos“ sind, dass man zum Beispiel die Zahl „zwei“ nur mit Zeige- und Mittelfinger andeuten darf, wenn man dem Gegenüber nicht dabei den Handrücken zeigt, weil das wahnsinnig unanständig wäre.
    Am Nachmittag unternehme ich mit den Kindern meiner Gastgeber Fahrradtouren in die nähere Umgebung. Die Grafschaft Essex ist auf ihre Art wunderschön. Unsere Familie ist in den Sommerferien oft in Dänemark gewesen. Essex erinnert mich sehr an Jütland. Dort gibt es auch diese weiten Einblicke ins Land über Felder, die sich auf sanften Hügeln ausbreiten. Dazwischen sind kleine Wäldchen, die nur wenige Quadratmeter Land bedecken.
    Die Landstraßen sind in England nie so rigoros begradigt worden, wie etwa in Westfalen unter der Herrschaft von Napoleons Bruder Jerome.
    Sie verlaufen in zahllosen Kurven und richten sich nach den Konturen der Höhenlinien, oder nach den Häusern und Gehöften, die sie verbinden. An manchen Stellen haben sich die Straßen durch die Jahrhunderte tief in die Böschungen und Hügel eingeschnitten. Ich muss daran denken, wie ein Englischlehrer uns einmal erklärt hat, wie es in England zum Linksverkehr gekommen sei. Ob die Theorie wohl stimmt?
    Angeblich seien die Hohlwege so eng gewesen, dass die Ritter und Reiter kaum aneinander vorbeidrängen konnten. Natürlich hielten sie ihre Lanzen oder Schwerter in ihrer rechten Hand, bereit zur Abwehr, falls ein Entgegenkommender Böses im Schilde trug. Da machte es Sinn, die rechte, bewaffnete Seite zur Straßenmitte auszurichten und alle entgegenkommenden Reiter links zu passieren.
    Hier auf den schmalen Straßen leuchtet mir das ein, auch wenn es mir selber sehr gewöhnungsbedürftig

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