Verliebt in einen Gentleman
Instinktiv haben wir beide nur Jeans, Turnschuhe, eine Bluse und einen Pulli gewählt.
Catherine sieht wie immer einfach nur wahnsinnig hübsch aus.
Ich habe mir vorsichtshalber die Wimpern getuscht und einen Hauch Lippenstift aufgetragen, damit ich nicht wie vierzehn, sondern mehr wie dreiundzwanzig aussehe, nicht, dass das bei mir viel hilft, aber zumindest fühle ich mich älter.
Es dauert eine Weile, bis wir das Haus finden, in der Annes WG wohnt.
Eigentlich wundert es mich ein bisschen, dass sie als fertige Lehrerin noch in einer WG wohnt und keine ganze Wohnung für sich hat, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass das englische Lehrergehalt deutlich unter dem liegt, was ein deutscher Kollege verdient.
Als wir klingeln, kommt Anne an die Tür und öffnet uns.
„Hallo, ihr Lieben“, begrüßt sie uns herzlich und drückt uns jeden einen Kuss hinter das Ohr, „Kommt rein, legt ab und trefft die anderen.“
Wir bringen unsere Einkaufstaschen in die Küche, die klein, nicht sehr ordentlich, aber funktional wirkt.
„Prima“, sagt Catherine, „ein Gasherd. Da werden die Crêpes viel besser drauf.“
Anne scheucht uns in das Wohnzimmer. Da sitzen ihre Kollegen und Freunde auf niedrige Sitzgelegenheiten verteilt.
„Ihr kennt euch ja wohl alle schon vom Sehen“, sagt die Gastgeberin, „aber ich stelle euch trotzdem vorsichtshalber nochmal alle mit Namen vor. Hier sind unsere Assistant Teachers Lea, Deutsch und Catherine, Französisch. Lea und Catherine, da ist Gill, die kennt ihr schon vom Sprachzimmer, Daniel, er unterrichtet Mathematik, John, Phil, Amy, und Ethan.“
Ich blicke in ein Gesicht nach dem anderen und nicke freundlich. Dann stockt mein Herz.
Ethan.
Der athletische Herzensbrecher. Mein Eisenbahn-Türöffner.
Er blickt nur kurz in meine Richtung und wendet sich wieder ab, um sich mit besagter Amy zu unterhalten, einer Blondine, die ebenfalls meines Wissens Sport unterrichtet.
„Seid ihr alle hungrig?“, fragt Anne.
Das gemeinsame „Ja“ klingt laut und sehr überzeugend.
Also eilen Catherine und ich in die Küche, wo wir sofort beginnen, den Crêpes-Teig anzurühren.
Catherine macht das ungeheuer flink und professionell.
„Hey!“, sage ich, „Man merkt, dass du darin Übung hast.“
Catherine rührt nur noch schneller und sagt: „Ja. Ich habe mit meinen Kusinen immer einen Stand auf der Fest Noz in unserem Dorf betrieben. Da mussten wir die Dinger im Sekundentakt herauskurbeln.“ Sie erzählt mir, nicht ohne so etwas wie Heimweh im Blick, von den bretonischen Volksfesten, bei denen die Leute sich an die Hände fassen und zum näselnden Klang des Dudelsacks im Kreis tanzen.
Ab und zu guckt Anne in die Küche herein.
„Braucht ihr Hilfe? Kann ich etwas tun?“
Aber wir schicken sie zurück ins Wohnzimmer. Eine dicke graue Katze schleicht um unsere Beine. Die nimmt Anne mit heraus und lehnt die Tür an. „Ruft, wenn ihr etwas braucht!“
Catherine stellt zwei Pfannen auf den Herd und zerlässt etwas Fett darin. Dann tropft sie einen kleinen Klecks Teig in das heiße Fett. Mit einer geschickten Handbewegung schwenkt sie die Pfannen blitzschnell, so dass der Teig gerade nur einen weißen Film auf dem Pfannenboden bildet.
Es beginnt verführerisch zu duften.
Catherine beobachtet den Rand der Pfannnenkuchen konzentriert.
„Gleich ist es so weit.“ Dann nimmt sie eine Pfanne fest beim Stiel, tritt zurück und sagt: „So, jetzt pass auf!“
Sie ruckt die Pfanne einmal kurz nach oben, der Pfannenkuchen wirbelt einmal um seine Achse und landet perfekt wieder auf. Die krosse, dunkle Seite zeigt jetzt nach oben.
„Wow“, sage ich tief beeindruckt, „das habe ich bisher nur bei den Fernsehkochs im TV gesehen. Ich dachte nicht, dass ich das jemals live sehen würde.“
Staunend sehe ich, wie Catherine gleich den nächsten Pfannenkuchen wendet.
„Och, das ist nichts“, sagt sie nur, „das kann jeder.“
„Das glaube ich nie und nimmer“, sage ich, merke aber schon, wie mich der Ehrgeiz gepackt hat.
„Klar“, sagt Catherine, „willst du es mal probieren?“
Natürlich will ich.
Ich warte, bis Catherine zwei Pfannenkuchen so weit hat. Dann greife ich die Pfanne fest an ihrem Stiel.
„Einmal kurz rucken“, sagt Catherine. „Ich mache es dir nochmal vor.“
Es sieht wie Zauberei aus.
„Okay“, sage ich, „ich versuch' s. Eins, zwei, drei...“
Ich rucke die Pfanne nach oben, nur habe ich mich wohl verrechnet und zu kräftig geruckt. Mein Crêpe
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