Verliebt in einen Gentleman
daran, dass Mr. Henley mir gesagt hat, dass es unendlich mühsam sei, hier im Dorf etwas zu finden. Ich könnte mich auf die Suche in den Nachbarstädten machen, aber dann müsste ich jeden Morgen eine längere Busfahrt auf mich nehmen. Das Grundstück der Lanes grenzt praktisch an das Schulgelände. Ich bin in zwei Minuten an meiner Arbeitsstelle.
Und hinzu kommt noch etwas anderes: Ich habe die beiden Alten in mein Herz geschlossen. Sie sind so rührend um mein Wohl bemüht.
Zum Beispiel träume ich eines Tages laut vor mich hin, wie schön es wäre, ein Fahrrad zu haben. Schon am nächsten Tag kommt Glen mit einer alten Chaise angeschoben, die er von einer Kusine geliehen hat. Der Drahtesel ist schwarz, schwer und sicherlich fünfzig Jahre alt, aber Glen fettet mir die Kette, pumpt die Reifen auf und zeigt mir, wo ich das gute Stück im Schuppen unterbringen kann.
Nun genieße ich es, jeden Tag mit meinem neuen Gefährt die Gegend zu erkunden. Ich radle über die Landstraßen, über Stoppelfelder und durch Dörfer. Ich entdecke alte Kirchen und verträumte Pfarrhäuser. Der Herbst meint es gut mit mir, und die Tage sind sonnig und mild. Nur Nachts wird es empfindlich kalt.
Catherine hat sich auch ein Fahrrad geliehen, und wir unternehmen gemeinsame Touren. Immer wieder halten wir an und machen Fotos, damit wir unsere Lieben zu Hause von der Schönheit dieser Landschaft überzeugen können.
Wir haben beide kein Internet in unseren Quartieren, deswegen machen wir oft noch einen Besuch in der örtlichen Bücherei, wo man das WLAN benutzen kann. Dort veröffentlichen wir unsere Fotos gleich bei Facebook, damit unsere Freunde und Verwandten sie bewundern können.
Bei einem meiner Facebook-Besuche entdecke ich eine Freundschaftsanfrage.
„Jens Heller möchte mit dir befreundet sein.“
Wer? Kenne ich nicht. Ich will schon gerade auf „ablehnen“ klicken, da sehe ich mir das Profilfoto noch einmal genauer an. Ach, jetzt weiß ich, um wen es sich handelt. Es ist mein Kasino-Retter, der nette Jens, der mich damals in das italienische Restaurant eingeladen hat. Ich zögere einen Moment, dann klicke ich auf „annehmen“. Er war damals so freundlich und hilfsbereit, es wäre mehr als unhöflich, das Gesuch abzulehnen.
Jetzt, da ich den Zugang zu seiner Facebook-Seite habe, schnüffle ich natürlich darin ein bisschen herum. Da sind ganz knuffige Kinderbilder. Da sind Bilder vom erwachsenen Jens auf der Hochzeit seiner Schwester. Er trägt einen dunklen Anzug und sieht ganz schneidig aus, wie ich ihn als Chauffeur erlebt hatte. Jens mit einem kleinen Hund auf dem Schoß. Jetzt ist der Hund größer. Ein Video mit Kunststücken, die der Hund jetzt gelernt hat, einige davon sind recht beeindruckend, und man erkennt, dass das Training sehr aufwändig gewesen sein muss. Ein paar Bilder von einem Badeaufenthalt irgendwo am Mittelmeer. Jens sieht in seiner Badehose gar nicht so schlecht aus.
Interessehalber suche ich auch, ob Ethan bei Facebook ist, aber da bekomme ich nur eine Fehlanzeige. Das passt zu ihm, meinem herrlichen, geheimnisvollen Schwarm. Etwas anderes hätte ich nicht erwartet.
Die Tatsache, dass das Walnut Cottage so eng und stickig ist, hat seine Vorteile. So bin ich gezwungen, aus dem Haus zu gehen und etwas zu unternehmen.
Ich melde mich in Brantwood zu einem Französischkurs an, weil ich es immer bereut habe, das Fach in der Schule nicht gewählt zu haben. Catherine und ich werden Mitglieder im örtlichen Tennisclub, obwohl wir beide kein Tennis können. Also geht es in den Tennisunterricht. So bald wir die ersten Stunden hinter uns haben, besorgen wir uns den Schlüssel zum dörflichen Tennisplatz und spielen in der Abenddämmerung gegen einander, bis unsere Handgelenke schmerzen und unsere Arme schwer werden.
Unsere schottische Kollegin Anne spricht uns eines Tages beim Mittagessen an: „Hättet ihr denn mal Lust Euch mit mir und ein paar anderen Kollegen in einem Pub zu treffen? Wir sind ziemlich oft im 'Bell' an der Hauptstraße. Es wäre doch nett, wenn ihr auch dabei wärt.“
Ich denke: Alles ist besser, als im Tabaksqualm „Crossroads“ gucken zu müssen.
Catherine geht es wohl ähnlich, denn sie fragt: „Wann seht ihr euch dort zum nächsten Mal?“
„Zum Beispiel heute Abend, so ab acht Uhr.“
„Super, wir kommen“, sage ich.
Als wir am Abend die Tür zum Gastraum aufschieben, ist der Pub schon brechend voll. Catherine und ich stehen an der Tür und müssen eine
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