Verliebt in einen Gentleman
ruht, so als gehöre er dorthin.
Mir wird gleich noch wärmer. Genau genommen habe ich das Gefühl, dass ich gleich verglühen werde.
Ich blicke in die Runde. Die Kollegen lachen und plaudern gemütlich. Keiner scheint zu merken, wie aufgewühlt ich bin. Gut so.
Und was ist mit Ethan? Er mischt sich nur wenig in das Gespräch ein, sondern ist auffallend schweigsam. Der Arm bleibt auf meinen Schultern, und ich schüttle ihn auch nicht ab. Er fühlt sich sehr gut an, und mein Herz klopft so, dass Ethan es eigentlich spüren müsste.
Wenn Ethan ab und zu doch etwas sagt, merke ich, wie seine tiefe Stimme sehr dicht an meinem Ohr brummt. Sein Atem riecht gut, ein bisschen nach Bier, aber nicht unangenehm.
Der Whisky macht mich gesprächig. Ich erzähle von meinem Auslandssemester in der Türkei. Dort habe ich so viel Faszinierendes erlebt, dass es aus mir nur so heraussprudelt. Die anderen finden meine Schilderungen und Anekdoten so spannend, dass ich – ohne es zu merken – zum Mittelpunkt des Abends werde.
Und die ganze Zeit, wie der Brummton eines Drehkreisels, begleitet mich die vibrierende und aufregende Nähe meines Traummanns. Ich registriere jedes Muskelzucken in seinem Arm. Ab und zu habe ich das Gefühl, als würde er sich kaum merklich noch fester um meine Schultern legen.
Ganz hinten in meinem Kopf fragt ein Stimmchen: Liegt der Arm nur zufällig da, sozusagen aus Platznot, oder bedeutet die Berührung mehr? Warum liegt er nicht mehr auf der Lehne, sondern auf meinen Schultern? Will Ethan mir damit etwas signalisieren? Und wenn ja, bedeutet das, dass er etwas für mich empfindet?
Ich muss an Lindas Warnungen denken.
Vielleicht sollte ich mich sanft aber bestimmt unter dem Arm wegducken und etwas abrücken. Aber das kann ich nicht. Irgendwie verlangt jede Faser in meinem Körper, dass ich es nicht tue.
Einmal verlagert Ethan sein Gewicht auf der Bank und der Arm ist weg. Ich halte die Luft an und warte. Hoffentlich kommt er wieder.
Und schon ist er wieder da, irgendwie schwerer und noch wärmer.
Ethan sagt mir etwas sehr leise ins Ohr, damit nur ich es verstehen kann.
Ich höre: „Du bist wahnsinnig schön, weißt du das?“
Sofort beginnt mein Herz gewaltig zu pochen. Tage, nein Wochenlang habe ich davon geträumt, wie es wäre, wenn mein Traummann Ethan mir so etwas sagen würde. Jetzt geschieht es tatsächlich. Ich bin ganz verlegen und erwidere vorsichtshalber gar nichts.
Ethan nimmt eine Haarsträhne von meiner Schulter und betrachtet sie genau.
„Deine Haare haben eine ganz seltsame Farbe. Ein bisschen rötlich, so im Dämmerlicht.“
Ich schlucke. „Stimmt. Den rötlichen Ton habe ich von meinem Vater geerbt.“
Ethan spricht weiter: „Nur müsstest du sie besser pflegen. Die Spitzen sind ganz trocken.“
Er hat recht. Ich hätte schon längst mal wieder zum Frisör gehen sollen, um die versplissten Spitzen abschneiden zu lassen, aber ich habe es immer aufgeschoben. Ich verfluche mich dafür, dass ich mich nicht eher darum gekümmert habe. Jetzt sitze ich neben meinem Schwarm und er sieht, wie sehr ich mich vernachlässige. Da muss unbedingt etwas geschehen. Ich schwöre mir, dass ich am nächsten Tag zum Frisör gehen werde.
Irgendwann steht Catherine auf, erklärt der Runde, dass sie müde ist und jetzt nach Hause geht und verabschiedet sich. Dann geht noch jemand. Ich habe die Uhr völlig aus dem Blick verloren.
Erst als der Wirt die Glocke schlägt und sein „Last orders, please!“ ruft, realisiere ich, dass es auch für mich Zeit wird, zu gehen.
Die Bank ist jetzt freier und ich lehne mich weg von Ethan, um nach meiner Tasche zu greifen. Da spüre ich, wie sein Arm mich fest an ihn zurückzieht.
„Musst du denn wirklich schon gehen?“, fragt er mich.
„Klar“, sage ich, krampfhaft bemüht locker zu wirken, „es wird für uns alle Zeit. Morgen müssen wir wieder vor der Klasse stehen.“
„Schade“, sagt Ethan, mehr nicht. Er lässt mich los und steht mit einem Ruck auf.
Sobald sein Arm von meinen Schultern genommen ist, fühlen sie sich ganz kalt und verlassen an. Seine physische Nähe mag mich zwar aufgewühlt haben, aber sie war mir auch ungemein angenehm.
Bevor ich weiß, wie mir geschieht, sage ich hastig: „Aber wir könnten uns doch bald wieder treffen. Das wäre nett.“
„Ja“, sagt Ethan, „vielleicht“, geht aber auf diese Bemerkung nicht weiter ein. Wir entfernen uns von einander. Es geht hinaus in die kalte Nachtluft. Man verabschiedet
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