Verliebt in einen Unbekannten
mir sein!
»Also gut«, erwiderte ich so zuversichtlich wie möglich. Ich vertiefte mich in die Speisekarte und betete um eine Erleuchtung.
Während wir mit unserer aufwendigen Spargelvorspeise beschäftigt waren, fragte mich John nach Granny Helen aus. »Ich kann meine Verbindungen spielen lassen, Lambert«, sagte er ernst. »Wenn sie die beste privatmedizinische Versorgung braucht, die es gibt, dann werde ich dafür sorgen, dass sie sie auch bekommt.« Er blickte mich forschend an, als wäre er ganz versessen darauf, dass ich ihn ernst nahm.
»Vielen Dank, aber sie ist einundneunzig, und sie hatte einen Schlaganfall. Ich glaube nicht, dass man da viel tun kann.«
»Ich bin mir sicher, dein Vater sieht das anders«, widersprach John sanft. »Es klingt mir ganz danach, als würde der arme Kerl sehr an seiner Mutter hängen. Ich biete dir meine Hilfe an, Lambert. Du kannst mich rund um die Uhr anrufen.«
Meine Spargelspitze blieb auf halbem Weg zum Mund in der Luft hängen. »Danke«, sagte ich, aufrichtig gerührt. Ich spürte einen leichten Schauder. Es wäre gefährlich leicht, John an mich herankommen zu lassen, wenn es das war, was er beabsichtigte. Ich sah ihn an: groÃ, tadellos gekleidet, unerträglich gutaussehend und plötzlich so ⦠real. Nicht der aalglatte, sexy Boss, sondern ein Mensch, ein ganz normaler, anständiger Mensch mit Gefühlen.
Sei vorsichtig , ermahnte ich mich wieder.
Während des Hauptgangs drehte sich das Gespräch um John. Ich erfuhr, dass er einen Bruder hatte; eine Tatsache, die mir bislang vollkommen unbekannt gewesen war. Ach du liebe Güte! , dachte ich. Gleich zwei rotzfreche MacAllisters machten Schottland unsicher? Sperrt eure Töchter ein!
Ich wurde gerade ein bisschen lockerer, als er die Bombe platzen lieÃ. »Du hast mich gar nicht nach Susan gefragt«, sagte er.
»Ich ⦠ähm ⦠entschuldige«, stammelte ich und wurde auf der Stelle knallrot. »Tja dann, wie geht es ihr?«
»Sie hat eine Affäre«, verkündete er. »Hat mich letzte Woche verlassen. Hat ihre Sachen gepackt und ist das Wochenende über in die Staaten geflogen.« Er steckte sich eine Gabel voll Fisch in den Mund und kaute, während er aufmerksam mein Gesicht betrachtete.
Es kostete mich gewaltige Anstrengung, mir nichts anmerken zu lassen. »Ach, John, das tut mir leid«, sagte ich ruhig. »Geht es dir gut?«
»Sehr gut«, sagte er achselzuckend und spreizte die Hände. »Wirklich, es geht mir gut. Sie hat ihren reichen amerikanischen Ehemann für diesen dicken Bauernhofkater verlassen, der hier vor dir sitzt, und scheinbar haben ihr die Platinkreditkarten gefehlt, an die sie so gewöhnt war, denn nun ist sie mit einem noch reicheren Amerikaner durchgebrannt.«
Ich betrachtete ihn stumm, hatte nicht den blassesten Schimmer, was ich sagen sollte, doch glücklicherweise schien er auch nicht zu erwarten, dass ich mich dazu äuÃerte. »Es fing während unserer Flitterwochen in Kalifornien an«, erzählte er mit einem schiefen Lächeln. »Wir waren bei dem Besitzer eines Weinguts zum Essen eingeladen â dort hat sie ihn kennengelernt. Er sieht echt komisch aus, Lambert. Ganz normal, bis auf einen riesigen Wasserball unter dem Hemd. Am liebsten hätte ich mit einer Nadel hineingestochen, um festzustellen, ob sein Bauch dann flacher wird.«
Ich prustete in meine Serviette.
»Natürlich habe ich ihn nicht mit einer Nadel gepikt. Im Grunde war mir das alles ziemlich gleichgültig. Ich habe Susan geheiratet, weil ich dachte, einen Ring am Finger zu haben würde mir helfen, über dich hinwegzukommen, aber leider stellte sich heraus, dass der Ring nicht den gewünschten Effekt zeitigte.«
»Sind die Herrschaften zufrieden?«, fragte unser Kellner, der plötzlich neben meinem Ellbogen erschien. Er trug die glänzendsten Schuhe, die ich je gesehen hatte. Ich starrte darauf, als hinge mein Leben davon ab.
» DAS ESSEN IST GROSSARTIG !«, verkündete ich. » WIRKLICH KÃSTLICH !« Was hatte John da gerade gesagt? Hatte er das tatsächlich gesagt, genau die Worte, nach denen ich mich seit Ewigkeiten gesehnt hatte? Jetzt, da er sie ausgesprochen hatte, war ich wie betäubt.
John, der soeben zum ersten Mal in den sieben Jahren, die wir nun zusammenarbeiteten, verletzlich gewirkt hatte, entspannte sich
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