Verliebt in einen Unbekannten
anderen würde ich die zweipoligen Ja/Nein-Argumente, die mir unablässig durch den Kopf gingen, keinen Augenblick länger ertragen können.
Hier gab es nichts zu diskutieren. Ich musste William loslassen. Und das stank mir gewaltig.
Nach ein paar Sekunden humpelte ich zielstrebig zu Sams Schrank, holte ein WeiÃbrot und sein Extraglas Nutella heraus, dann nahm ich ein Messer aus der Schublade, ging in mein eigenes Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.
Margot stelzte mit zorniger Präzision auf ihren mörderisch hohen Wildleder-Highheels aus meinem Büro. Ihr Rock war so eng, dass er ihre Schamgegend exakt abzeichnete. Sie hatte immer schon seltsame Kleidung getragen, doch in meiner Abwesenheit schien ihre Garderobe eine Metamorphose von »seltsam« zu »alter Schlampe« vollzogen zu haben. Ich fragte mich flüchtig, ob sie damit Johns Aufmerksamkeit erregen wollte, doch ich bezweifelte es. Margot mochte John nicht mehr als mich. Oder sonst einen ihrer Vorgesetzten.
Das hier würde noch härter werden, als ich mir vorgestellt hatte. Margot hatte unser gesamtes System umgestellt und lieà sich nicht auch nur ansatzweise in die Karten blicken. Alles, was mir helfen würde, meinen Job zu erledigen, blieb ein Mysterium. Informationen dagegen, die irrelevant oder gar irritierend waren, waren mühelos zugänglich.
»Was ist mit Suki Gilpin von der Mail ?«, hatte ich sie ein paar Minuten zuvor gefragt. »Sie muss doch irgendwas gesagt haben.« Sämtliche Zeitungen hatten von Simitol erfahren, und ein paar davon gaben sich â wie nicht anders zu erwarten gewesen war â alle Mühe, gegen uns zu stänkern. Oder â anders ausgedrückt â eine »provokante Sichtweise« zu liefern. Suki Gilpin war für gewöhnlich die Schlimmste von allen.
»Sie hat angerufen, ja«, hatte Margot mit verschlossenem Gesicht geantwortet.
»Und? Bei ihr muss man ziemlich vorsichtig sein.«
»Ich weiÃ.« Margot krauste die Nase.
»Na schön. Könntest du mir bitte eine E-Mail mit den Antworten von sämtlichen Pressefuzzis schicken und mich auf den allerneuesten Stand bringen, damit ich weiÃ, was auf mich zukommt?«, bat ich Margot.
»Ich habe wirklich nicht die Zeit, dir E-Mail-Updates zu schreiben, Charley. Ich habe irrsinnig viel zu tun.«
» Was denn? Das würde ich nämlich gerne wissen, Margot. Ich bin nicht zurückgekommen, um Tee zu trinken und die Vogue zu lesen.«
Margot verdrehte die Augen und blickte auf ihre Uhr. »Es tut mir leid, Charley, aber ich schaffe es jetzt einfach nicht, mit dir meinen Posteingang durchzugehen. Ich werde mir später dafür Zeit nehmen, einverstanden? Wenn du mich nun bitte entschuldigen würdest, ich muss dringend telefonieren.«
Und damit drehte sie sich um und verlieà das Zimmer.
Ich war baff. Nach dreimonatiger Abwesenheit hatte ich vergessen, wie fordernd meine Arbeit war, genau wie ich vergessen hatte, wie karrieregeil Margot war. In den kommenden Wochen würde ich mir keinen einzigen Fehltritt erlauben können, und die Last dieser Verantwortung, kombiniert mit Margots kompletter Weigerung, mir meinen Job zurückzugeben, war bitter.
Ich trommelte nervös mit den Fingern, während ich über ihren jüngsten Trip zur Hauptverwaltung in Washington grübelte, wo sie nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als damit zu prahlen, wie erfolgreich sie während meiner Abwesenheit unsere Produkte vertrat. Obwohl sie mir nichts Wissenswertes über ihre Reise berichtete, schmierte sie mir lang und breit aufs Brot, wie sehr sie die Vorstandsvorsitzenden beeindruckt hatte. Offenbar war Bradley Chambers â Vizepräsident von Salutech Global und mein oberster Vorgesetzter, der mich für gewöhnlich anzüglich angrinste und zu befummeln versuchte, wenn er in Europa war â hin und weg gewesen von ihrer erstaunlichen Rundum-Kompetenz. »Er hat mich nicht einmal mit falschem Namen angesprochen«, hatte Margot lässig bemerkt. Auch wenn Bradley Chambers keine Gelegenheit auslieÃ, bei Meetings möglichst dicht neben mir zu sitzen, nannte er mich stets Sharon.
Ich wandte mich verdrossen meinem Monitor zu, wo eine Instant Message von John eingegangen war.
MacAllister, John: Morgen, Lambert. Benimmt sich Margot?
Es war wie in alten Tagen â eine ungezwungene, leicht unpassende Bemerkung von zwei Menschen, die
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