Verliebt in einen Vampir: Argeneau Vampir 2
Türen schienen schrecklich weit weg zu sein, und obwohl Rachel sicher war, es bis dahin zu schaffen, war ihr die Vorstellung sehr peinlich, auf halbem Weg nackt ertappt zu werden. Außerdem wusste sie ja nicht mit Bestimmtheit, ob sich hinter der Doppeltür wirklich Kleider befanden.
Nachdem sie einen Augenblick überlegt hatte, zog sie das Laken vom Bett und wickelte es sich um wie eine Toga. Dann ging sie zu der Tür, die am wahrscheinlichsten zu einem Flur und ein paar Antworten führen würde.
Wie sie gehofft hatte, öffnete sie sich tatsächlich auf einen Flur, doch es war eindeutig kein Krankenhausflur. Sie schien sich in einem Wohnhaus zu befinden - einem ziemlich geschmackvoll eingerichteten Wohnhaus. Anerkennend ließ sie ihre Augen über die freundlichen Erdtöne des Korridors wandern. Sie hatte in ihrer Wohnung die gleichen Farben verwendet und fand sie stets aufs Neue warm und einladend.
Aber Innenarchitektur war im Augenblick nicht ihre Haupt-sorge. Der Raum, den sie gerade verlassen hatte, befand sich am Ende des Flurs. Nun folgten zu beiden Seiten mehrere Türen, aber kein Hinweis darauf, dass sich noch jemand außer ihr hier aufhielt. Rachel trat von einem Fuß auf den anderen und überlegte, was sie tun sollte, aber am Ende schien ihr keine Wahl zu bleiben. Sie konnte entweder bleiben, wo sie war und darauf warten, dass jemand zu ihr käme, oder sie konnte jemanden suchen, an den sie ihre Fragen richten konnte.
Das Verlangen, unter dem sie litt, erleichterte ihr die Entscheidung. Rachel trat durch die Tür des Schlafzimmers auf den Flur hinaus und folgte ihm. Sie kam gar nicht auf die Idee, einen Blick in die Zimmer zu werfen, an denen sie vorbeikam. Nirgendwo war auch nur ein einziger Laut zu hören. Es war so leise, dass man die Stille förmlich schreien hörte, zumindest in diesem Stockwerk.
Als sie den Treppenabsatz erreichte, sah es nicht wesentlich besser aus. Sie spähte ins Entree hinunter und wunderte sich über die Dunkelheit und Stille. Sie war doch sicher nicht ganz alleine in diesem Haus. Jemand musste da gewesen sein, um die Infusionen zu wechseln. Ihre Beine waren immer noch ein bisschen wacklig, aber es gelang Rachel, ohne Zwischenfall die Treppe hinabzusteigen.
Dann stand sie im Entree und sah sich um. In diesem Teil des Hauses war die Sonne ebenso ausgeschlossen wie im Schlafzimmer. Alle Fenster waren verdunkelt. Rachel versuchte instinktiv, den Knauf der Tür zu drehen, die wie eine Haustür aussah, fand sie aber verschlossen. Es war ein altmodisches Schloss, für das man auch von innen einen Schlüssel brauchte, und kein Schlüssel war zu sehen, auch nicht auf dem kleinen Tisch nahe der Haustür.
Also ging Rachel den Flur entlang, um jemanden zu finden, der ihr erklären konnte, wo sie war. Sie kam an Räumen voller Dunkelheit und Schatten vorbei, in denen sich offensichtlich niemand aufhielt. An Ende des Flurs stieß sie eine Tür auf und gelangte so in die Küche. Während sie dort kurze Zeit verweilte, gewöhnten sich ihre Augen immer mehr an die Dunkelheit und sie erkannte die Umrisse von Kühlschrank, Herd, Tisch und Stühlen. Sie wollte sich gerade abwenden und wieder gehen, als sie bemerkte, dass unter der Tür auf der anderen Seite der Küche Licht hervordrang.
Aufregung erfasste sie bei diesem ersten Anzeichen einer anderen Person, die schnell in Mutlosigkeit umschlug. Doch sie fasste sich ein Herz, ging langsam auf diese Tür zu und öffnete sie. Sie führte ins Souterrain hinunter, wo auch das Licht herkam. Kachel zögerte, unsicher, was sie tun sollte. Ihre Kraft schien nachzulassen, und gleichzeitig kehrten die Krämpfe zurück. Es war wie bei einer Grippe, nur heftiger, und durchdrang jede einzelne Faser ihres Körpers.
„Hallo?”, rief sie hoffnungsvoll.
Natürlich antwortete niemand. Niemand kam, um ihr Erklärungen oder gar Unterstützung anzubieten. Rachel schlich durch ein dunkles, leeres Haus und zog dabei einen Zipfel des Lakens auf dem Boden hinter sich her wie die Schleppe eines altmodischen Gewandes. „Ich bin in einem Gruselroman aufgewacht”, murmelte sie halblaut vor sich hin, war sich aber nicht sicher, ob sie das komisch finden sollte. Denn genauso fühlte sie sich tatsächlich. Das brachte sie auf ein paar skurrile Einfälle - vielleicht war sie ja tot, und das hier war die Hölle. Oder vielleicht der Himmel. Rachel war relativ sicher, in ihrem Leben nichts getan zu haben, was sie in die Hölle bringen würde. Es sei denn.... vielleicht
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