Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
bereits ahnte, was diese Laute verursachte, weiteten sich ihre Augen vor Staunen: Eine kleine Herde Ponys – vier, fünf, sechs Stück – schritt gemächlich an dem Felsen vorbei, auf den Rand des Plateaus zu, dem Sonnenaufgang entgegen. Sie blieben an der Stelle stehen, an der Matt und Emily eben noch gestanden hatten, und blickten genauso stumm in Richtung Horizont.
»Wilde Ponys.« Matts Stimme war nur ein Hauch, kaum hörbar, doch das Ohr eines der Tiere zuckte. »Wenn der Himmel aufklart, so wie heute«, flüsterte er, »kommen sie hier herauf und sehen sich den Sonnenaufgang an.«
Vier Ausgewachsene, zwei Kleine. Keines von ihnen sehr groß. Emily starrte wie paralysiert auf die Tiere. Sie traute sich nicht, auch nur einen Finger zu bewegen, aus Angst, die Pferde aufzuscheuchen. Sie warf einen flüchtigen Blick auf Matt, der sie anlächelte, und wandte sich wieder der Szene vor ihnen zu.
Der Himmel, er brannte jetzt. Eine grellgelbe Sonnenkugel hatte sich bereits halb über den Horizont geschoben und das Rot um sie herum in strahlendes Orange verwandelt. Die Sonne breitete ihr Licht wie einen Fächer über der Landschaft aus, die Wolkenschicht darüber war aufgebrochen in einzelne flauschige Gebilde, die wie lila Schäfchen am Himmel schwebten. Emily starrte auf das Naturschauspiel und auf die Pferde, die bewegungslos das Gleiche taten.
Erst als die Sonne mehr Gelb als Orange hinterließ und der Himmel mehr blau als violett strahlte, rührten sie sich wieder. Emily sah zu, wie die Ponys ihre Mähnen zurückwarfen und Luft durch die Nüstern bliesen. Als hätten sie sich abgesprochen, wandten sie sich um und traten den Rückzug an, diesmal an der anderen Seite des Felsens entlang.
Die Tiere betrachteten sie aus den Augenwinkeln, das spürte Emily. Und dann, ganz unvermittelt, trat eines von ihnen aus der Reihe heraus. Es blieb etwa einen Meter vor Emily stehen, ein braun-weißes Pony mit schwarzen Augen, langen Wimpern und eindringlichem Blick. Sie sah die feinen Härchen auf seinen Nüstern und den weichen Pelz an den Ohren. Schließlich senkte das Pony den Kopf, als nicke es Emily zu, ging einen Schritt rückwärts und seiner Gruppe hinterher.
Sobald der letzte Schweif außer Sichtweite war, atmete Emily geräuschvoll aus. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte, doch jetzt schrie quasi alles in ihr nach Sauerstoff.
Matt lachte leise. »Für jemanden, der keine Pferde mag, sah das hier gerade ganz schön niedlich aus«, sagte er.
Emily warf ihm einen strafenden Blick zu. »Ich sagte doch bereits, ich habe nichts gegen Pferde«, erklärte sie spitz. »Sie dürfen nur nicht zu groß sein. Die hier waren klein.« Sie seufzte, zog die Knie dicht an den Körper und ließ den Kopf nach hinten gegen den Stein sinken. Sie schloss die Augen. Die Sonne hatte den Felsen noch nicht erreicht, doch Emily konnte die Vorboten ihrer Strahlen bereits erahnen.
Flirtet er etwa mit mir?
Sie könnte ewig hier sitzen bleiben. Hier, auf diesem Stein, mitten im Dartmoor, Matt so dicht an ihrer Seite, dass sie seine Wärme spürte. Sie drehte den Kopf in seine Richtung und öffnete die Augen wieder. Er hatte den Blick geradeaus ins Moor gerichtet und er lächelte nicht mehr. Emilys Herzschlag beschleunigte sich, noch ehe sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte. Wir müssen reden, hatte Matt gesagt. Sie wusste, dies war der Augenblick, noch bevor Matt den Mund öffnete und etwas ganz anderes herauskam, als Emily erwartet hatte.
»Das war der Lieblingsplatz meiner Mutter«, sagte er.
Überrascht hielt Emily die Luft an.
Matt sprach schnell, ohne sie anzusehen. »Sie kam im Sommer oft hierher«, erklärte er, »zwei- bis dreimal die Woche, sie liebte den Spaziergang am Morgen und dann den Anblick der Ponys. Außerdem …« Er zögerte einen Moment, bevor er fortfuhr: »Außerdem vermittelte es ihr ein Gefühl von Sicherheit, dass die Ponys immer da waren. Ich meine, immer , egal, in welcher Zeit wir uns gerade befanden. Jedes Mal, wenn der Himmel aufklart, sind Ponys da, es ist …« Matt stoppte seinen Redefluss, um Luft zu holen, und Emily hing wie betäubt an seinen Lippen. Sie konnte sehen, wie schwer es ihm fiel, ihr all das zu erzählen, und sie hielt mucksmäuschenstill, damit er nicht aufhörte.
»Ich glaube, die Zeitreisen machten ihr Angst«, fuhr er fort, leiser jetzt, »die Zeitreisen und …« Er stockte. »Sie hat es nie ausgesprochen, aber – ich bin mir ziemlich sicher, dass es so war.
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