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Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Pilz
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okay«, wiederholte sie, leiser jetzt. »Lass uns zurückgehen. Rose wird sich schon fragen, wo ich bin.«
    Nichts war okay, gar nichts. Den Rückweg verbrachten sie und Matt schweigend, und die ganze Zeit über fragte sich Emily, was passiert war, dort oben am ›Patter Tor‹. Wie es möglich war, dass so ein empfindsamer, intimer Moment sich in etwas so Herzloses, Schmerzvolles verwandeln konnte.
    Und dann wusste sie es plötzlich: Matt hatte ihr nicht vom Tod seiner Eltern erzählt, weil er sich Emily anvertrauen wollte, weil er das Bedürfnis hatte, sie an seinem Leben teilhaben zu lassen. Er hatte ihr davon erzählt, um sie abzuschrecken – um ihr zu zeigen, wie grausam das Leben war, das er führte, und wie wenig sie dort hineingehörte.
    Sie blieb stehen. Matt, der vor ihr ging, hielt ebenfalls inne. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Emily sagte gar nichts. Sie ließ ihre eigenen Gedanken auf sich wirken, dann ging sie einfach weiter, an ihm vorbei, den Hügel hinab.
    Gut.
    Es hatte ein Abschied werden sollen, von Beginn an, kurz und schmerzlos. Und sehr drastisch. Bei dem Gedanken an Matts Worte zog sich Emilys Herz zusammen.
    Sie wurde erschossen.
    Gott.
    Sie konnte jetzt ganz leicht das Mädchen sein, das die Schuld bei sich suchte, die Schuld dafür, dass er sie nicht wollte – aber das wollte sie nicht. War sie verliebt in ihn? Vielleicht. War er verliebt in sie? Vielleicht nicht, aber er mochte sie, das spürte Emily genau. Und sie hatte es in seinen Augen gesehen, mehrfach und zuletzt vor etwa dreißig Minuten, oben auf dem Felsen, bei den Worten Ich weiß es ehrlich nicht.
    Er stieß sie weg, weil er es für das Beste hielt, und auf einmal war sich Emily sicher, dass er recht hatte. Sie konnte nicht bleiben, so viel stand fest, warum also den Kummer noch vertiefen und die Trennung hinausschieben? Warum nicht gleich auf Abstand gehen, die Herzen versiegeln, die Qual minimieren? Ob Matt ahnte, wie ähnlich sie sich waren? Dass sie genau das Gleiche entschieden hätte, vielleicht nicht jetzt sofort, aber später, in einigen Tagen? Er war genauso einsam wie sie.
    Als Matt sie eingeholt hatte, kurz vor der Kirche, und ihr sagte, er könne sie die nächsten Tage kaum sehen, Schreinerarbeiten, irgendetwas für Martha-May, sehr beschäftigt und so weiter und so weiter, da lächelte sie fast.
    Fast.
    Und dann passierte es, ausgerechnet in dem Moment, in dem sie die Brücke erreichten.

4
    M att war vor ihr stehen geblieben, doch Emily spürte es ebenfalls: Der Boden unter ihnen zitterte, ganz leicht nur, als liefe ein Schauer durch die Erde.
    »Was soll das?«, flüsterte Emily in die Stille, die darauf folgte. Die Vögel, der Wind, nichts rührte sich mehr. Als habe die Welt aufgehört zu atmen. Als habe die Welt außerhalb von Hollyhill aufgehört zu atmen. Als sei Hollyhill das Herz der Welt, das kurzerhand einen Takt ausgesetzt hatte – um dann in doppeltem Tempo weiterzuschlagen.
    Die Ruhe vor dem Sturm.
    Der losbrach.
    Als Matt Emily auf die Brücke zog.
    »Was soll das?«, wiederholte Emily, lauter jetzt, während sie sich an Matts Hand klammerte – der Wind hatte wieder eingesetzt, und er zischte um ihre Ohren, und die Steine unter ihren Füßen schienen sich zu bewegen, sich zu verschieben, sich aneinanderzureiben. Sie liefen über die Brücke wie über einen Hindernisparcours.
    »Wir springen«, rief Matt über das Knirschen und Krachen hinweg und über das Tosen des Orkans, der durch das Dorf stob. Als hätte sich Emily diese Antwort nicht selbst geben können. Sie wusste, was passierte. Sie hätte nur gern gewusst, warum .
    »Okay, beweg dich nicht.« Matt zog Emily in seine Arme, sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, und so standen sie, am Rande der Straße, mit flauen Mägen und wirbelnden Haaren und flatternden Jacken und sahen zu, wie sich das Dorf aus der Zeit schälte.
    Es wirkte wie ein Kartentrick. Rrrrrrrrrrrt machte es, und das Kopfsteinpflaster fächerte sich auf und ließ nichts als platt gewalzte Erde zurück. Das Rinnsal vor den Cottages mit seinen knarzigen Stegen bäumte sich auf, dann platschte ein schmutziger Streifen Matsch an seine Stelle. Metallschilder quietschten und verformten sich. Kleine Wirbel aus Wind schraubten sich an den Hausfassaden hoch und an den Straßenlaternen, als wollten sie sie liebkosen. Fasziniert starrte Emily auf Matts Geländewagen, der vor ihren Augen zerfiel wie eines dieser Puzzle-Spielzeuge aus einem Überraschungs-Ei, um sich

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