Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Cousine in Exeter weilt. Gott steh mir bei, sonst wäre Becky ihrer neuen Aufgabe sicher nicht gewachsen. Anna war … ist … ach.« Mrs. Pratt kniff die dünnen Lippen zusammen, und Emily machte »Hm«, mehr sagte sie vorsichtshalber nicht.
»Für dich«, fuhr Mrs. Pratt fort, »bedeutet dies, dass du Beckys Aufgaben übernimmst. Dazu gehört es, den Tisch zu decken und abzuräumen, das Geschirr zu waschen, die ebenerdigen Zimmer ordentlich zu halten, die Teppiche zu klopfen, das Silber zu reinigen, selbstverständlich nur unter Mr. Grahams Aufsicht, und wenn noch Zeit ist, hilfst du bei der Wäsche, etc. etc. Im Moment fehlt es einfach an allen Ecken.«
»Gut, aber womit …«
»Und das Wichtigste …« Mrs. Pratt presste beide Arme an ihren Körper und streckte den ohnehin stockgeraden Rücken noch ein wenig mehr. »… du tust das alles, als wärest du unsichtbar. Hast du das so weit verstanden? Man sieht dich nicht, man hört dich nicht. Die Herrschaften sollen sich durch die Präsenz einer Magd auf keinen Fall gestört fühlen.«
Emily sah die Haushälterin mit großen Augen an. Diese Ansprache war … ungeheuerlich irgendwie und machte sie sprachlos. Am Ende nickte sie. Einmal. Ganz schnell.
»Nun, nachdem das geklärt wäre«, sagte Mrs. Pratt, »folge mir zu dem Trakt, in dem das Personal untergebracht ist. Küche, Waschküche, Schlafkammern etc, etc.«
Sie drehte sich um, das Kleid rasselte, und Emily seufzte. Sie hatte so eine Ahnung, dass dies nicht ihre letzte Unterredung mit der Hausdame gewesen sein konnte. »Hier entlang«, kommandierte sie denn auch gleich, und sie verschwanden in dem schmalen Flur, der sie geradewegs in die Hölle führte.
»Uh, was ist das hier?«, fragte Emily, während sie sich Qualm aus dem Gesicht wedelte. Der Rauch war dicht und heiß und schlug ihnen bereits im Gang entgegen, begleitet von Geschirrgeklapper, Keuchen und einer leidenschaftlichen Schimpftirade.
»Himmel Herrgott, Becky, soll ich denn alles allein machen? Lässt die Pastete verbrennen! Das Geschirr ist auch nicht abgeräumt!«
»Miss Mary braucht mich oben. Sie ist noch nicht angekleidet fürs Dinner!«
»Ah, und was, wenn hier alles anbrennt? Dann gibt es gar kein Dinner, dummes Kind.«
»Kann Hope nicht helfen? Mrs. Pratt sagte, solange Anna noch nicht wieder …« Den Rest des Satzes erstickte ein Hustenanfall.
»Hope ist in der Waschküche – weiß der Himmel, was sie dort so lange treibt! Was macht sie mit der Wäsche? Das möchte ich zu gern mal wissen. Ich kann hier nicht alles allein bewerkstelligen! Kochen, backen, abräumen, Geschirr waschen – Grundgütiger, habe ich sechs Hände?«
»Ich habe auch nur zwei, und die kleine Miss Milly ist schon wieder zu den Schweinen entwischt! Sie liebkost sie, als wären sie ihre Püppchen! Alle naselang muss ich ihr ein frisches Kleidchen anziehen.«
Die Stimme, die vermutlich Becky gehörte, klang weinerlich.
»Nun«, antwortete es unnachgiebig, »spätestens am Samstag wird sie ein Püppchen weniger haben, wenn zur Hochzeitsfeier eins geschlachtet wird.«
Emily hörte ein Quietschen, wahrscheinlich das Fenster, denn schließlich lichtete ein Luftzug die Wand aus Rauch, und ein Raum zeichnete sich dahinter ab, groß und viereckig, mit groben Holzflächen, einem knackenden Ofenfeuer, klobigem Tisch und zwei Figuren, die mit Schüsseln, Töpfen und Pfannen hantierten. In einer kupferfarbenen Spüle dampfte ein schwarzes Stück Teig.
Mrs. Pratt klatschte in die Hände.
»Genug der Aufregung«, befahl sie, »am Ende bekommt noch das ganze Haus mit, dass hier Tohuwabohu herrscht.« Sie schritt durch den Raum auf eine Tür zu, die nach draußen führte, und öffnete sie. Dann machte sie kehrt und schob Emily ins Zimmer. »Hier, der Ersatz für Anna.« Sie sah Emily von der Seite an. »Wie war dein Name noch gleich?«
»Emily.«
»Emily also. Mrs. Whittle, das hier ist Emily. Emily, das ist unsere Köchin, Mrs. Whittle. Bis auf Weiteres wirst du ihren Anweisungen Folge leisten.«
Emily zögerte einen Augenblick, dann machte sie einen kleinen Knicks. Wer weiß? Womöglich war diese Mrs. Whittle auch eine Vorsteherin des niederen Volkes.
»Guten Tag, Mrs. Whittle«, sagte Emily. Sie nickte Becky, einem hageren, schwarzhaarigen Mädchen zu, das sie schüchtern anlächelte.
Mrs. Whittle sah erst Emily entgeistert an, dann Mrs. Pratt. »Wo kommt sie auf einmal her?«, fragte sie. Sie sah gar nicht aus wie eine Köchin, so zierlich und drahtig. Sie
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