Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
beinahe wie eine Herdplatte aussah. Milly stellte den Kessel darauf ab. »Wenn das Wasser kocht, kannst du damit die Teeblätter in der Kanne dort aufgießen«, flüsterte sie.
Emily nickte. »Danke«, sagte sie und zwickte Milly sachte in die Nase. »Du bist mir eine große Hilfe.«
Milly grinste zu ihr hinauf. »Tisch decken kannst du allein, oder? Ich komme gleich wieder.« Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und sauste aus dem Zimmer.
Emily deckte den Tisch: Zwei Tassen, zwei Teller, eine Platte, auf der sie Kuchen und Gebäck verteilte, sie stellte das kleine Schälchen Butter zwischen die Gedecke, den Zucker, die Marmelade.
»Emily«, rief Miss Wakefield, und Emily hob den Kopf. »Komm hier herüber«, befahl sie, »du musst mir die Haare hochstecken.«
Ach du liebe Güte. Emily wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und ging dann zögernd auf den Frisiertisch zu. Wenn ich wüsste, wie man sich die Haare hochsteckt, hätte Mrs. Pratt mir keine Löcher in den Kopf hämmern müssen.
Die Tür fiel krachend ins Schloss, und Milly stapfte zurück ins Zimmer.
»Milly, bitte!«, stöhnte ihre Schwester, und griff sich an die Schläfen.
Milly hatte ihre Zeichenmappe unter den Arm geklemmt, Tinte und Feder in der Hand und steuerte damit auf den Frühstückstisch zu. Sie grinste Emily an, schob ihren Teller beiseite und begann dann fieberhaft, auf ein Blatt einzukritzeln.
»Für das Frühstück wird ein schlichter Knoten ausreichen«, näselte die Miss. »Nach dem Bad werden wir die Haare mit dem Eisen bearbeiten.«
Klingt ja grauenvoll, dachte Emily und nahm die Bürste, die Mary ihr entgegenstreckte.
Miss Wakefield griff nach einem Buch. Ein paar Minuten war nichts zu hören als das gelegentliche Umblättern der Seiten und das Kratzen von Millys Feder auf Papier. Emily kämmte Marys Haare und überlegte dabei fieberhaft, wie sie einen Dutt dazu bringen konnte, nicht von deren Kopf zu rutschen. Sie formte einen langen Zopf, drehte diesen ein paarmal um sich selbst und faltete ihn schließlich wie eine Schnecke um Marys Kopf. Ihre Bemühungen, das Gebilde mit Haarnadeln festzustecken, wurde mit stetigen »Aaah«s und »Ts«s kommentiert. Sobald Emily ihre Hände von dem Haarkranz löste, fiel er in sich zusammen. Das Ergebnis sah schauderhaft aus.
»Um Himmels willen«, rief Mary Wakefield, klappte ihr Buch zu und begann damit, die losen Strähnen auf ihrem Kopf festzustecken. »Was soll das werden? Ein Vogelnest? Kann man sich nicht einmal zurücklehnen in diesem Haus? Muss man sich denn wirklich um alles selbst kümmern?« Sie riss Emily eine letzte Haarnadel aus der Hand und stach damit, so sah es zumindest aus, auf ihre Kopfhaut ein.
»Verzeihung«, setzte Emily an, »ich …« Und dann fiel ihr Blick auf das Buch, das Mary Wakefield auf ihrem Schminktisch abgelegt hatte.
»Oh«, machte sie, als sie den Titel erkannte. »›Sinn und Sinnlichkeit‹ von Jane Austen. War das vor ›Stolz und Vorurteil‹ oder danach?«
Mary runzelte die Stirn. In dem matten Spiegel vor ihr suchte sie Emilys Blick. »Wovon redest du, Mädchen?«, fragte sie.
»Ähm, das Buch, das Sie gerade lesen«, präzisierte Emily. »Das ist doch ›Sinn und Sinnlichkeit‹? Ich habe es gelesen, nachdem meine Freundin Fee mich quasi dazu gezwungen hat, sie ist ein Riesenfan von Jane …«
»Du hast es gelesen ?« Mary Wakefield hätte nicht entgeisterter aussehen können. »Wie kommt ein Mädchen wie du … Du kannst lesen ? Wer hat dir das beigebracht, du liebe Güte?« Sie drehte den Kopf, um Emily nun direkt in die Augen zu sehen. Sie maß sie mit einem derart abschätzenden und gleichzeitig fassungslosen Blick, dass Emilys Herz in ängstlichen Galopp verfiel.
»Nicht gelesen«, murmelte sie, »ich meinte, man hat mir erzählt , dass dies ein unglaublich schönes Buch sein soll, voll mit …«
» Wer erzählte dir davon?«
»Ähm.« Emily überlegte fieberhaft. »Vielleicht war es auch ein anderes Buch«, sagte sie schließlich. »Und gar nicht von Jane Austen.«
Marys Augen waren mittlerweile nur noch schmale Schlitze. »Das Buch ist vor ein paar Tagen erst erschienen«, sagte sie kalt. »Mein Bruder hat es mir mitgebracht, aus Plymouth. Und wer um alles in der Welt ist Jane Austen?« Sie nahm das Buch wieder in die Hand und besah sich den Umschlagdeckel. By a Lady war oben aufgedruckt.
»Das … Jane Austen. Sie hatte mir von diesem Buch erzählt.« Emily nickte heftig. »Sehr gutes Buch«, sagte sie. »Über …
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