Verliebt in Hollyhill: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
unters Bett gerutscht.«
Emily nickte, dann sah sie zur Tür. Es war still geworden im Haus, seit die anderen Becky offenbar hineingetragen hatten, nun aber hörte es sich an, als trample eine Herde Elefanten die Holztreppe hinunter. »Emily?«, schrie Mrs. Pratt. »Wo steckt das dumme Mädchen?«
Emily seufzte. Matt hob eine Hand und strich ihr damit über die Wange. »Du siehst müde aus, dummes Mädchen«, sagte er leise, und Emily nickte. »Irgend so ein Kerl hat mich die halbe Nacht wachgehalten, um mir verquaste Liebesbriefe vorzulesen«, sagte sie.
Ach je. Es fühlte sich so richtig an, mit Matt zusammen zu sein. So natürlich . So …
» EMILY !«
»Ich muss gehen.« Emily drehte sich um, lief zur Tür und öffnete sie. »Wir sehen uns später.«
»Okay.«
Sie war schon halb im Gang, als sie sich noch einmal zu Matt umdrehte.
»Ich war da«, erklärte sie, »in dem Stall. Bei Brixton und … Lennis. Cullum hat mich hingebracht.«
Matt sagte gar nichts, er sah sie nur an.
»Was auch immer er damit bezweckt hat«, fuhr Emily fort, »es hat nicht funktioniert.«
Sie drehte sich um und schloss die Tür hinter sich.
»Aua, Mrs. Pratt, Sie reißen mir ja die Haare aus!« Emily hob die Arme und versuchte, den ziependen Kamm in die Hände zu bekommen, doch die Hausdame klatschte ihr damit auf die Finger.
»Sei nicht kindisch, Mädchen«, schimpfte sie, »du kannst dich nicht mit diesem zerrupften Schopf im ersten Stock sehen lassen.« Unbeirrt riss sie an Emilys Haaren und tackerte die Strähnen dann regelrecht mit Haarnadeln fest. Automatisch rutschte Emily tiefer in den Küchenstuhl hinein, aber es half nichts.
»Aaaah«, stöhnte sie, und Mrs. Pratt sagte: »Und mit dieser Schürze schon gar nicht.« Damit riss sie Emily den zerknitterten Stoff herunter. »Hope«, rief sie, »geh da mit dem Eisen drüber, und zwar noch in diesem Jahrhundert! In der Zwischenzeit bring mir eine von Beckys Schürzen aus der Kleiderkammer.«
Hope warf Emily einen mitfühlenden Blick zu. Die verdrehte die Augen.
»Also, du weißt, was du zu tun hast?«, fragte Mrs. Pratt.
Emily nickte. »O ja, Mrs. Pratt«, sagte sie, »das weiß ich genau.«
»Dann wiederhole das doch bitte noch einmal für mich.«
Emily seufzte. Und leierte ihren Text herunter. »Sie bringen mich in den ersten Stock, und ich folge Ihnen stumm zu den Gemächern«, begann sie. »Dann stellen Sie mich Miss Mary Wakefield als Ersatz für die kranke Becky vor, ich knickse und sage absolut überhaupt nichts, es sei denn, es fragt mich jemand, und auch dann antworte ich ausschließlich mit ›Ja, Miss Wakefield‹ oder ›Nein, Miss Wakefield‹, denn das ist die offizielle Anrede der ersten Tochter des Hauses. Ich erledige, was mir gesagt wird, und das möglichst schnell und möglichst stumm.«
Mrs. Pratt schnaubte. »Warum nur gefällt mir dein Tonfall nicht?«, murmelte sie, riss Hope die frische Schürze aus der Hand und stülpte sie Emily über den Kopf. »Hopp!«, rief sie und rauschte davon.
Im Stechschritt folgte Emily Mrs. Pratt die Treppe hinauf, während sie sich gleichzeitig darum bemühte, die Kerze in ihrer Hand am Brennen zu halten, kein Wachs auf den Boden zu tropfen und die Gemälde zu betrachten, mit denen die Wand nach oben gesäumt war. Es war zum Verzweifeln düster in diesem Haus! Himmel, wann wurde eigentlich die Elektrizität erfunden? Emily hoffte für alle Beteiligten, dass sie sich bis dahin nicht die Augen verdorben hatten.
Mrs. Pratt trug ein großes Tablett mit Frühstücksutensilien, und sie rauschte den breiten, selbstverständlich nur spärlich beleuchteten Gang im ersten Stock entlang, als könnte sie im Dunklen sehen. Sie passierte ein, zwei, drei, vier Türen und blieb vor der letzten auf der linken Seite stehen. Sie nickte Emily mit schmalen Lippen zu, die daraufhin den Türknauf bewegte und …
»Becky!« Die Stimme klang dünn und weinerlich, als habe man ihrer Besitzerin seit Tagen nichts mehr zu trinken gegeben. »Da bist du endlich!«, nölte sie. »Ich sitze auf Kohlen!«
»Oh, Miss Wakefield!« Mrs. Pratt trat eilig ins Zimmer. »Sie sind schon wach!«
Emily konnte nicht sehen, wo sie ihr Tablett abstellte, sie hörte es nur, dann nahm ihr Mrs. Pratt die Kerze aus der Hand und entzündete damit eine weitere, die auf dem Tisch stand, sowie einige mehr, die in Ständern steckten, die an den Wänden angebracht waren. Ein großer, quadratischer Raum, ausgestattet mit schweren, üppigen Möbeln, wand sich aus
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