Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Gott. Es ging mir echt gegen den Strich, aber ich hatte keine andere Wahl: Mit einer raschen Bewegung zog ich die Tasche von ihr los. Nur zwei Schritte trennten mich von der Sicherheit des Badezimmers.
»Was bildest du dir ein, verdammt?«, schrie Coco. Jetzt versuchte sie, mich gegen die Wand zu drücken.
»Ich hab was hier drin und brauche es jetzt«, sagte ich. »Dauert nur einen Augenblick.«
Auf einmal kam sie ganz nah an mein Gesicht und griff gleichzeitig nach der Tasche. »Nein! Ich hab dir nicht erlaubt, meine Tasche ins Bad mitzunehmen. Nein heißt nein!«
»Coco«, sagte ich und hielt die Tasche hinter meinem Rücken versteckt. »Wenn du’s unbedingt wissen willst, es ist was Peinliches, was du nicht sehen sollst.«
»Das wäre?« Noch immer versuchte sie, mir die Tasche wegzunehmen. Dann hörte sie auf. Ließ die Arme sinken. Sie lächelte. »Ist es ein … Kondom?«
»Ein was? «
Wie sollte ich das bloß deichseln? Sollte ich lachen? Behaupten, es wäre ein Kondom? Gar kein so schlechter Einfall. Ich drehte mich um, warf die Tasche durch die Türöffnung ins Bad, knallte erleichtert die Tür hinter mir zu und schloss mich ein.
»Up, up and away, s’il vous plaît«, trällerte ich mit aufgesetztem französischen Akzent.
Rasch fischte ich den Stinkkäse aus dem Seitenfach der Tasche und warf ihn mit einem entwürdigenden Plumpsen ins Klo. Ich spülte und zog den Reißverschluss an der Tasche wieder zu.
Als ich aus dem Badezimmer trat, saß Coco seitwärts auf einem Sessel im Wohnzimmer. Sie hatte die Arme verschränkt. Ihre Beine baumelten über eine Armlehne. Sie sah wahnsinnig süß aus. Aber auch wahnsinnig wütend.
»Sorry wegen eben«, sagte ich und setzte die Tasche behutsam zu ihren Füßen ab.
Schweigen.
»Coco«, versuchte ich es abermals. »Du würdest lachen, wenn du wüsstest, worum es dabei ging. Ich sollte es dir einfach sagen.«
»Echt jetzt, ich will’s nicht mal wissen. Ich will bloß wissen, von welchem Bahnhof du abreist, damit wir den Weg raussuchen können.«
Wenig später standen wir schweigend in der Metro. Als wir am Bahnhof ankamen, rannten wir zum Bahnsteig. Die Türen meines Zugs waren schon geschlossen.
»Hau gegen die Tür«, riet Coco. »Mal sehen, ob sie dir öffnen.«
Das tat ich. Wie durch ein Wunder ging die Tür auf.
»Los!«, drängte sie. »Ciao.«
»Ciao. Hat doch … Spaß gemacht, oder?«
»Doch, ja«, sagte sie.
Ich nahm mit einem Satz die Waggontreppe und warf meine Tasche ins Innere, nur um mir im nächsten Moment klar zu werden, dass ich keine Euros mehr hatte. Nicht einen. Mein letztes Geld war für die Computernutzung im Internetcafé draufgegangen. Die Zugtür hatte sich schon hinter mir geschlossen.
Ich schlug mit der flachen Hand auf die Füllung, und die Tür glitt wieder auf. Coco stand noch immer auf dem Bahnsteig.
»Du, äh, könntest mir nicht vielleicht ein paar Euros borgen, oder?«
»Was?«, fragte sie.
Der Krach im Bahnhof – Durchsagen, Gongs, einfahrende Züge – war ohrenbetäubend.
»Nur weil … ich kein Geld mehr hab für Wasser oder was zu essen«, sagte ich. »Und die Fahrt zurück nach Madrid dauert lange.«
»Oh.« Sie grub in ihren Gesäßtaschen herum. Zog mehrere Scheine hervor. »Hier. Nimm das.«
»Danke! Ich zahl’s dir zurück. Irgendwann.«
»Schon gut. Huch! Ich hab vergessen, dir dein Hemd zurückzugeben.«
Die Tür ging wieder zu.
»Behalt es einfach!«, rief ich.
Aber ich glaube nicht, dass sie’s noch gehört hat.
Erst als sich der Zug in Gang setzte, ging mir auf, dass ich Webb die Hälfte seiner Fahrtkosten hätte anbieten sollen. Dies Versäumnis und die Tatsache, dass ich sein Hemd behalten hatte, ließen mich jetzt sicher als selbstsüchtiges Miststück dastehen.
Scheiße.
Im Grunde war es in dem Moment gelaufen, als mir klar war, dass er meine schauerlichen Höschen (die ich schon in Chicago hätte wegwerfen sollen) und meinen gepolsterten hellrosa BH (den ich nie hätte kaufen dürfen oder schon hätte wegschmeißen müssen, als ich erkannte, wie hässlich er war, allerspätestens aber, als der Schaumstoff erste Beulen warf) gesehen hatte. Und dann, als er unbedingt einen weiteren Blick drauf werfen musste? Und das auch noch im Badezimmer? Da war es endgültig vorbei.
Mom und ihr dämlicher »Pack deine schäbigste Unterwäsche ein«-Ratschlag. Danke, Mom!
Vielleicht war er ja einfach nur ehrlich gewesen. Vielleicht hatte er wirklich nur die Kondome entsorgt. Vielleicht hatte
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