Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
eine oder andere Glas über den Durst trinken, hielt ich einen kleinen Vorgeschmack …«
»Ich hab doch gesagt, ich will keinen«, fauchte sie. Ihre selbstgefällige Tugendhaftigkeit traf mich wie eine Ohrfeige.
»Also bitte«, sagte ich, goss mir selbst ein Glas Wein ein, verspeiste mein Abendessen und dachte über Andrew nach.
Es war beinahe Mitternacht, als er zum dritten Mal anrief. Ich trug das Telefon nach hinten ins Schlafzimmer.
»Ich weiß, dass es der Gipfel der Unverschämtheit ist, so spät anzurufen«, sagte er. »Aber ich muss dir was sagen, und du wirst mich für einen Idioten halten, wenn du’s hörst.«
O Gott, jetzt kommt’s, dachte ich. Er ist verheiratet. Oder er hat doch was mit einer anderen. Oder er ist schwul. Oder er hat Herpes.
»Red weiter«, sagte ich, schloss die Schlafzimmertür und wappnete mich gegen das Schlimmste. Mir wurde eng um die Brust, und ich spürte den wohlvertrauten Ärger in mir aufsteigen.
»Du weißt noch, worüber wir vorhin gesprochen haben?«, fragte er.
»Hm.« Ich legte meine freie Hand auf mein Herz, um es ans Schlagen zu erinnern.
Er stockte. Ich konnte ihn schwer atmen hören. »Über Romantik und … handschriftliche Liebeszeilen und …« Wieder stockte er.
»Ja?«, sagte ich knapp. Mein Ton war mir zuwider, doch ich fühlte, wie ich mich schon bei der ersten Andeutung dessen, was bevorstand, von ihm distanzierte. Ich war Fachfrau darin, anderen Leuten den Rücken zu kehren. Oder irgendwelchen Jobs. Oder den Umständen. Schon ließ ich ihn innerlich hinter mir.
»Äh, na ja, ich wollte, hm, erklären …« Er kam nicht weiter.
»Hör mal«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln, um weniger ärgerlich zu klingen, als mir zumute war. »Das muss jetzt gar nicht sein. Es war toll, dich kennenzulernen und den Abend gemeinsam zu verbringen, aber daraus muss nicht mehr werden.« Ich brachte ein schwaches Gelächter zustande. »Du musst nicht mit mir Schluss machen , Herrgott. Wir waren ja nicht mal zusammen.«
»Nein«, sagte er. »Warte. Halt. Ich stell mich gerade richtig blöd an.«
»Dann sag mir einfach, was dich beschäftigt. Was dir als Erstes einfällt. Wie beim Therapeuten.«
»Na gut«, sagte er leise. »Du. Du beschäftigst mich. Das wollte ich dir sagen.«
»Ernsthaft?« Ich fühlte, wie sich mein ganzer Körper lockerte.
»Ja. Und nicht nur das, du beruhigst auch meine Seele. Oder klingt das zu abgedroschen?«
»Nein.« Ich konnte nicht anders als lächeln, und diesmal war es echt. Die Muskeln in meiner Brust entspannten sich. »Musst du Jimmy Webb eigentlich jedes Mal Tantiemen zahlen, wenn du einen seiner Verse abkupferst?«
Jetzt war er mit Lachen an der Reihe. »Hab aber an ein Lied von John Hartford gedacht. Und der ist schon lange tot.«
»Oh. Schade.«
»Er kam übrigens aus St. Louis. Solltest du jemals unsere Stadt besuchen, werd ich dich zum Walk of Fame mitnehmen und dir Hartfords Stern im Gehsteig zeigen.«
»Vielleicht mach ich das irgendwann.«
»Ich hoffe es sehr«, sagte er. »Gute Nacht, Daisy.«
»Gute Nacht, Andrew.«
Ich schlief bis zum Mittag durch. Dachte mir, Dad würde sauer sein, war er aber nicht.
»Hey, Kumpel«, sagte er, als ich ihn unten im Hotelrestaurant antraf. Er trank Kaffee und las die International Herald Tribune . »Gut geschlafen?«
»Doch, ja.«
»Wunderbar.« Er faltete seine Zeitung zusammen. »Willst du hier was essen, oder sollen wir raus ins richtige Leben?«
»Kümmert mich nicht.«
»Es kümmert dich nicht?« Sein Mund lächelte, doch seine Brauen zogen sich kraus. »Es muss dich kümmern. Das ist deine Aufgabe im Leben: sich um was zu kümmern. Oder noch besser, um jemanden.«
Super Stimmung bei ihm.
»Gehen wir rüber zur Plaza Mayor«, schlug Dad vor.
»Okay.«
»Und dann steuern wir den Prado an«, fuhr Dad fort. »Ich möchte mir die Bilder von Velázquez ansehen. Und dir gefielen doch die Gemälde von Hieronymus Bosch, weißt du noch?«
»Ja, doch.«
»Und dann dachte ich mir, wir könnten einen zweiten Blick auf die postdigitale Ausstellung werfen, wenn du noch willst«, sagte Dad. »Bin ganz gespannt, was du von den Sachen hältst, besonders den Spielinstallationen.«
Spielinstallationen? Wovon zum Teufel redete er da?
»Okay«, sagte ich wieder und nickte.
»Und dann«, Dad erhob sich vom Tisch, »suchen wir uns ein tolles Lokal zum Abendessen. Vielleicht eins mit Live-Musik? Hört sich doch gut an, oder?«
»Sicher«, sagte ich. Schön. Alles recht.
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