Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
»Bist du noch dran?«, fragte ich.
»Sorry. Hab eine Pfanne fallen lassen. Aber ich bin froh, dass mir mal einer dieses Pornodingsda erklärt. Hab’s nicht kapiert. Lies bitte weiter.«
»Gut, ich werd was auslassen einschließlich der Stelle über die ›eindrucksvolle Ausstellungsgestaltung‹.«
»Doch, lies sie vor«, beharrte sie.
»Nein, nein. Hier kommt der Teil, den du hören sollst. ›Dazu wurden den Gästen ofenwarme Kekse und Butterkuchen gereicht, die das Motiv der verfremdeten Liebe in unserer postmodernen Welt untermalten. So kam unwillkürlich eine gewisse Wehmut auf …‹«
»Du denkst dir das aus«, meinte sie kichernd.
»Bestimmt nicht«, beteuerte ich. »Hör zu: ›So kam unwillkürlich eine gewisse Wehmut auf nach den alten, einfacheren Zeiten, als noch selbst gebacken wurde, als man mit so schlichten Dingen wie Papier, Tinte und Postwertzeichen Romantik erzeugen konnte.‹«
»Das steht wirklich so da?«
»Ich lüge nie über Besprechungen«, versicherte ich ihr. »Und noch was. Du erinnerst dich an die Demonstranten draußen vor dem Park?«
»Ach ja. Was hatte es mit denen auf sich?«
»Hör dir das an«, sagte ich. »Eine Randnotiz zum Hauptartikel. ›Cinco por Cinco‹ eine kleine, aber zusehends auffällige Gruppe amischer Extremisten …«
»Amische Extremisten? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?«
»Da bin ich mir nicht sicher. Bei uns in Missouri leben eine Menge Amische. Die sind ganz schön extrem. Kein Strom. Keine Versicherungen. Weder Ehen noch Umgang außerhalb ihrer Gemeinden.«
»Jeder nach seiner Façon«, sagte sie. »Lies weiter.«
»Cinco por Cinco, eine kleine, aber zusehends auffällige Gruppe amischer Extremisten, hat gelobt, für die Dauer der Ausstellung vor dem Retiro-Park zu demonstrieren. Die Mitglieder von Cinco por Cinco glauben, das Internet sei Teufelswerk und stelle für die Treue in der Liebe die größte Gefahr überhaupt dar. Erklärtes Ziel der Gruppe ist eine weltweite Ausmerzung elektronischer Kommunikation, angefangen beim Internet, und die Rückkehr zu einfacheren, prädigitalen Zeiten, als die Hände es noch gewohnt waren zu nähen, zu kochen, das Land zu bewirtschaften und zu beten. Die Gruppe hat Lowtech-Terroranschläge angedroht, um ihre Absichten durchzusetzen. Bis dahin geloben ihre Mitglieder, bei Wasser und Haferflocken zu fasten.«
»Du lieber Himmel«, sagte sie. »Das sind Ausgeflippte. Ist doch eine Sekte, oder? Lauter Leute, die nicht eigenständig denken können und …«
Sie hielt inne. Ich spürte, dass ihr meine Schwester eingefallen war.
»Schon gut«, sagte ich. »Dachte einfach, es würde dich interessieren.«
»Ja, danke. Wie geht’s dir denn?«
»Gut. Hast du schlafen können?«, fragte ich.
»Kurz im Flugzeug. Meine Tochter hatte mal wieder miese Laune. Darum haben wir den Tag im Louvre verbracht. So mussten wir wenigstens nicht miteinander reden.« Sie lachte. »Siehst du, was für eine tolle Mutter ich bin?«
»Hab heute meinen Sohn genötigt, ein Bier zum Abendessen zu trinken«, gab ich zu. »Und es war das schlechteste Bier meines ganzen Lebens. Schmeckte nach alten Socken.«
Sie lachte wieder. Ich konnte es in ihrer Pfanne brutzeln hören. Wäre ich doch bloß dort, dachte ich. Stünden wir uns doch bloß gegenüber.
»Für Rabeneltern wie uns müsste es irgendwelche Auszeichnungen geben«, sagte sie. »Also wirklich. Ein krankes Kind allein in einem fremden Land zurücklassen? Nicht gerade, was man unter Fürsorge versteht.«
»Nun, mein Sohn war fast den ganzen Tag über verschollen«, beichtete ich. »Ich hatte keinen Schimmer, wo er steckte. Und das mehrere Stunden lang.«
»Ist dir klar«, entgegnete sie, »dass unsere Kinder mal entscheiden werden, in welches Altersheim wir kommen? Von ihrer Fürsorge werden wir abhängen. Unter ihrer Vormundschaft stehen. Wird einem da nicht angst und bange?«
»Sehr. Wär’s dir lästig, wenn ich dich morgen wieder anrufe?«, fragte ich.
»Furchtbar lästig«, sagte sie.
»Hmm. Dann muss ich’s wohl drauf ankommen lassen.«
»Besser wär’s.«
»Ich bin froh, dass du mir deine Telefonnummer gegeben hast.«
Ich redete weiter, nur damit sie dranblieb. Es lag Jahre zurück, dass ich so etwas gefühlt hatte. Ich musste ihre Stimme hören, um zu glauben, dass es sie wirklich gab.
»Ich bin froh, dass du mich danach gefragt hast«, gab sie leise zurück. Dann hob sich ihre Stimme. »Oh, halt! Ich muss dir was Witziges erzählen. Erinnerst du dich
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