Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
ausgestellt haben. Das wird sich noch zeigen.‹«
»Gaudí hat zuletzt gelacht, hm?«
Dad wandte sich mir mit ernsthafter Miene zu. »Ich möchte, dass du Leidenschaft für irgendwas empfindest, Webb.«
»Jetzt mach mal keinen Druck, ja?«
»Schon klar.« Er legte mir einen Arm um die Schulter. »Wenn du gerne Hausmeister werden würdest, wäre mir das auch recht, wenn’s das ist, was dich antörnt.«
Ich liebe Dad und seine Hippiesprache.
»Ich glaub nicht, dass ich Hausmeister werden will«, erklärte ich. »Dafür finde ich mich nicht ordentlich genug.«
»Okay. Du musst jetzt nicht wissen, was du werden willst. Das kommt noch. Aber ich möchte, dass du mehr willst, als bloß einen Job zu haben und dich durchs Leben zu wursteln. Ich möchte, dass du eine Leidenschaft entdeckst, an die du fest genug glaubst, um Demütigung und Ablehnung zu riskieren.«
Wenn Dad nur wüsste, auf welche Demütigung und Ablehnung ich in Paris getroffen war.
Wir setzten das Gespräch im Taxi zum Restaurant fort.
»Im Grunde haben Jimmy Webb und Antoni Gaudí viel gemeinsam«, sagte Dad. »Beide waren ungeheuer begabte Männer, die auch den bequemen Weg hätten gehen können, nämlich belanglose Lieder zu schreiben und bloß angemessen und gefällig zu bauen. Haben sie aber nicht getan.«
»Hm.«
Dad war total aufgedreht. Die ganze Taxistrecke lang redete er weiter auf mich ein, bis wir am Restaurant vorfuhren.
»Sie haben etwas gewagt, Webb. Ich kann dir gar nicht sagen, wie wichtig es im Leben ist, etwas zu wagen. Kühn zu sein. Denn wenn du das bist …«
Auf einmal hörte ich nicht mehr hin. Die Luft fühlte sich wie ausgetauscht an. Der Abend war ein anderer geworden. Ich spürte es sofort, als wir aus dem Taxi kletterten und auf den Gehsteig traten. Ich spürte es, noch ehe ich es sehen konnte. Doch kaum stellten sich meine Augen scharf, hatte ich ihn vor mir: den seltsam vertrauten Farbwirbel, auf Brusthöhe.
Die Bauernbluse.
Coco.
O Gott.
»O Scheiße!«
»Coco!«, zischte Mom und knuffte mir ihren Ellbogen zwischen die Rippen. Dann winkte sie Webb und einem älteren Typen zu. Beide stiegen gerade aus einem Taxi. »Andrew! Hallo! Ich möchte dir meine Tochter vorstellen, Coco.«
Der Mann schüttelte meine Hand. »Freut mich sehr. Und euch möchte ich Webb vorstellen, meinen Sohn.«
Er trug ein dunkelblaues Sakko und Jeans. »Hi«, sagte er verdutzt.
»Hi«, echote ich.
Lieber Gott, passierte das gerade wirklich? Nein, es war ein Traum. Es musste ein Traum sein. Das wirkliche Leben lief anders. Aber halt, Webb war in Farbe! Alles hier war in Farbe. Es war also wirklich.
»Gefällt es dir, Coco?«, hörte ich Mom fragen.
»Was?«, murmelte ich.
Warum trug ich bloß diese beknackte schwarze Hose? Ich hasste sie. Und ich war völlig ungeschminkt. Ich hätte Mom umbringen können.
»Andrew hat dich eben gefragt, ob dir Barcelona gefällt«, sagte Mom mit ihrer »Sei nett zu dem freundlichen alten Herrn«-Stimme.
»Sicher.« Ich sah noch mal zu Webb, ob er es tatsächlich war.
Wie kam der denn hierher? Woher kannte Mom seinen Dad?
»Wir haben den Nachmittag am Casa Batlló verbracht«, sagte Mom. »Genau wie du vorgeschlagen hast.«
»Webb schwärmt für dieses Haus«, antwortete der Mann. »Nicht wahr, Webb?«
»Hm«, machte Webb. Er sah mich nicht mal an.
»Wollen wir mal nach unserem Tisch schauen?« Der Mann hielt Mom und mir die Tür auf.
»Ja, gern«, sagte Mom lächelnd und trat auf den Eingang des Lokals zu.
»Klar«, gab ich von mir und versuchte, mich zu erinnern, wie man einen Fuß vor den anderen setzt.
»Was für eine hübsche Bluse du trägst, Coco«, sagte der ältere Mann, während ich an ihm vorbeiging. Ich wirbelte herum wie ein Schwenkkopf und blickte auf Webb. Er starrte seine Füße an und grinste bis über beide Ohren.
Hocherfreut stellte ich fest, dass Cocos Vater, was immer er sonst sein mochte, genetisch ein Leichtgewicht war.
Coco sah genau wie ihre Mutter aus. Das Haar vom selben Kastanienbraun. Die gleiche schmale Nase. Sollte ich diese junge Frau je näher kennenlernen, würde ich ihr sehr gern sagen, dass sie vor dem Älterwerden keine Angst zu haben bräuchte. Dafür war ihre Mutter der schlagende Beweis.
Der Oberkellner führte uns an einen Tisch und zog für Daisy den Stuhl zurück. Ich versuchte, Webb mit den Augen zu bedeuten, er könne Coco auf ebensolche Weise behilflich sein, doch es war zwecklos. Er sah sie nicht mal an, sondern starrte mit abwesendem
Weitere Kostenlose Bücher