Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
alles gegeben, um bei einem Film mitmachen zu können – heute war sie sich da nicht mehr so sicher.
»Wow«, hörte sie da hinter sich Daniels Stimme, »du siehst ja zum Anbeißen aus.«
»Es geht hier nicht um mich, sondern um das Kleid. Wie findest du es?«
»Aber so was von toll … Mir fehlen die Worte.« Manchmal hatte er wirklich einen leichten Hang zur Übertreibung. »Willst denn du nicht die Rolle spielen? Du siehst aus wie die geborene Braut. Also, mir gefällst du besser als Andie McDowell. Und das will was heißen!«
Was sollte denn das nun wieder? Irgendwie wurde sie aus Daniel nicht schlau. Einerseits machte er ihr die schönsten Komplimente, andererseits hatte es aber noch nie auch nur die kleinste wirkliche Annäherung zwischen ihnen gegeben. Wollte er etwa Jo nicht in die Quere kommen? Herrschte auch bei Frauengeschichten die berufliche Hierarchie und durfte nicht durchbrochen werden? Aber war ihr der Assistent nicht eigentlich lieber als sein Chef?
Daniels Gedanken schienen ähnliche Wege zu gehen, denn er kam näher und legte Emma den Arm um die Schulter. Dann beugte er sich zu ihr und gab ihr einen zarten Kuss neben das Ohr. »Wenn ich nicht schwul wäre, würde ich dich sofort nehmen. Du bist toll«, flüsterte er und küsste sie gleich noch einmal. Dann verschwand er so schnell, als wäre ihm sein Geständnis nun doch etwas peinlich.
Das war es also gewesen. Und schon verringerte sich der Kreis der möglichen Prinzen wieder erheblich … Von wie vielen Fröschen konnte man sich eigentlich gefahrlos küssen lassen, ohne selber zum Frosch zu werden? Und welcher Frosch war tatsächlich nur ein solcher, und hinter welchem versteckte sich vielleicht der Märchenprinz? Das zu entscheiden war doch eine unglaubliche Verantwortung für eine kleine Schneiderin, die vielleicht auch noch eine Schauspielkarriere vor sich hatte und allein damit schon überfordert war.
Was sollte sie tun? Eigentlich hatte sie den Dingen doch jetzt lange genug »ihren Lauf gelassen«. Mit dem Ergebnis, dass sie erneut in einem fremden Brautkleid dastand, an derselben Stelle wie vor einigen Wochen, und sich seitdem nichts, aber auch gar nichts verändert zu haben schien.
Tatsächlich? Hatte sich ihr Leben und hatte vor allem sie selbst sich seitdem wirklich kein bisschen entwickelt? Nun gut, sie war immer noch Schneiderin, obwohl man ihr sogar schon eine richtige Filmrolle angeboten hatte. Aber waren ihre Träume tatsächlich die gleichen geblieben? Hatte sie sich nicht, wie bei Daniels Prinzentauglichkeit, auch in so manch anderer Wunschvorstellung gründlich getäuscht?
Emma fiel es wie Schuppen von den Augen, während sie das Brautkleid auszog. Wie viele deutliche Winke hatte das Schicksal ihr in den letzten Wochen gegeben, ohne dass sie die Hinweise ernst genommen hatte! Die einsamen abendlichen Nähstunden waren so viel erfüllender gewesen als Casting, Fitting und Werbedreh zusammen. Wollte sie da denn wirklich Schauspielerin sein? Und die Sehnsucht nach dem Happy End mit Jo Fürstberg – dabei war doch schon Willis erster Kuss schöner gewesen als der von Jo, das gemeinsame Träumen mit dem Landschaftsgärtner wesentlich romantischer als das etwas gierige Stelldichein mit dem Regisseur. Dennoch hatte sie Willi vorhin erneut zurückgewiesen, nur um zu Jo zu fahren.
Hatte sie denn in all den Wochen überhaupt nichts begriffen? Warum jagte sie denn immer noch einer Wunschvorstellung nach, die sich doch schon längst als überholt erwiesen hatte? Das Filmgeschäft war nicht so glamourös und komfortabel, wie sie sich das immer vorgestellt hatte, sondern ziemlich anstrengend und bisweilen auch unsympathisch. Nun gut, das war die Stichsäge auch. Aber wollte sie nicht sowieso einen ganz anderen Weg einschlagen und endlich etwas Eigenes anfangen? So ein Modestudium konnte man schließlich auch mit Ende zwanzig noch machen …
Auf einmal hatte es Emma sehr eilig, das Kostümbüro zu verlassen. Jetzt, da sie sicher wusste, was sie wollte, mochte sie keine Zeit mehr verlieren. Denn wie erklärte schon Harry seiner Sally am Ende des berühmten Films: »Wenn man begriffen hat, dass man den Rest des Lebens zusammen verbringen will, dann will man, dass der Rest des Lebens so schnell wie möglich beginnt!« Bei Emma galt das sogar für die Liebe und den Beruf – hoffentlich war im ersten Fall überhaupt noch etwas zu retten …
Wenn man sich für etwas oder jemanden entschied, entschied man sich meistens auch
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