Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
Aufträge und Sonstiges. Nur das Schicksal wollte ab und zu mitmischen und legte in regelmäßigen Abständen kurze Fürstberg-Filmchen in Emmas Kopfkino ein. Den Mann zu vergessen war ganz und gar unmöglich.
Nun hatte Emma ein Problem. Wenn ihr Märchenprinz sie im Brautkleid und nur wenige Meter neben sich nicht wahrgenommen hatte, wie schaffte sie es dann, ihm als Nullachtfünfzehn-Frau in einiger Entfernung aufzufallen? Ein Blick ins Internet beantwortete diese Frage leider nicht, lieferte aber immerhin genauere Eckdaten: Jo Fürstberg, Regisseur, zweiundvierzig Jahre, wohnhaft in München, frisch geschieden. Da hatte sich doch das Schicksal tatsächlich gekümmert und rechtzeitig die Scheidung eingereicht. Lobenswert.
Vom Computerbildschirm aus schien Fürstberg Emma an diesem Abend verschwörerisch zuzuzwinkern, und sie gab ihm verliebt ein Küsschen auf die Nasenspitze, bevor sie die Seite wieder schloss. Vielleicht sollte sie sich einfach weiterhin auf das fleißige Schicksal verlassen. Vielleicht hielt es schon etwas Neues für sie bereit? Wenn ihr das zu lange dauerte, konnte sie immer noch einschreiten und die Sache selber in die Hand nehmen.
Tatsächlich ergab sich schon in der darauffolgenden Woche wieder eine Gelegenheit, erneut zum Filmgelände zu fahren. So ganz sauber hatte das Schicksal allerdings nicht gearbeitet, denn auch dieser Auftrag, ein fertiggestelltes Dirndl zu liefern, kam völlig überraschend. Sie konnte sich also weder hübsch machen noch andere Vorkehrungen treffen. Nun ja, vermutlich musste sie den Auftrag sowieso eher als Recherchereise denn als Flirtchance sehen. Komisch war nur, dass Frau Schubert bei ihrem Anruf ausdrücklich nach »der kleinen Schwarzhaarigen vom letzten Mal« verlangt hatte. Die Stichsäge hatte natürlich mit den Zähnen geknirscht, weil sie der Entscheidungsgewalt enthoben wurde, wollte es sich jedoch mit der Serienproduktion nicht verscherzen.
Auf der Fahrt in den Münchner Süden schlug Emmas Hirn geradezu Purzelbäume. Neben den ständigen Gedanken an Fürstberg gab es eine ganze Reihe offener Fragen: Warum hatte Teresa Schubert ausdrücklich sie als Lieferantin verlangt? War das Brautkleid vom letzten Mal vielleicht doch beschädigt gewesen? Würde sie die Standpauke diesmal von einer anderen Chefin erhalten? Oder sollte sie gar Schadenersatz leisten? Emma wurde richtig mulmig bei dem Gedanken, dass man sie eventuell nur deshalb herbeizitiert hatte, um ihr gehörig den Marsch zu blasen. In diesem Fall würde sie nie, nie mehr die Möglichkeit haben, auf ganz unauffällige Weise Jo Fürstbergs Nähe zu suchen.
Mit zitternden Knien bremste sie vor dem Studio von »Amtliche Gefühle« und stellte den Motor ab. Ganz weich wurden ihre Beine jedoch in dem Moment, als sie das Objekt ihrer Sehnsucht nur wenige Meter entfernt Zigarette rauchend auf und ab gehen sah. Instinktiv ging sie erst einmal in Deckung, indem sie fast bis unters Lenkrad rutschte. Noch war absolut keine Rendezvous-Zeit – sie brauchte erst mal ein Time-out!
Vorsichtig linste sie über den unteren Rand des Seitenfensters und sah Jo geradewegs auf ihr Auto zukommen. Sofort ging sie erneut auf Tauchstation. Sie saß mal wieder in der Falle. Wer von ihnen beiden wohl den längeren Atem hatte?
Beim nächsten Blick sah sie ihn die Zigarette austreten – gut so. Beim übernächsten allerdings telefonierte er in aller Seelenruhe, während er weiter hin und her tigerte. Musste dieser Mensch denn niemals arbeiten? Was veranstaltete wohl das herrenlose Bienenvolk im Inneren der burgartigen Halle ohne seinen Chef?
Wenn sie an die möglicherweise drohende Standpauke dachte, hätte Emma gern den ganzen Tag in der Horizontalen unter dem Lenkrad verbracht. Die Furcht allerdings, es durch übermäßigen Lieferverzug nur noch schlimmer zu machen, ließ sie nach weiteren fünf Minuten eine andere Lösung erwägen. Fürstberg telefonierte immer noch.
Verzweifelt versuchte Emma, das sorgsam in Folie verpackte Dirndl auf dem Rücksitz zu ergreifen, ohne auch nur den kleinsten Teil ihres Körpers über die magische Sichtgrenze zu heben. Es gelang – kostete sie allerdings sämtliche nach der unruhigen Nacht noch verbliebenen Kräfte und hinterließ gefühlte zwei Dutzend Blutergüsse. Ob das zu liefernde Kleid unter der rüden Aktion gelitten hatte, konnte sie in ihrer unbequemen Lage nicht erkennen. Endlich wagte sie, sich vorsichtig aufzurichten, hielt dabei das Dirndl jedoch so neben ihren Kopf,
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