Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
gelaufen.
Emma stand auf und öffnete das Schlafzimmerfenster weit, um die frische Frühlingsluft hereinzulassen. Ein paar tiefe Atemzüge lang versuchte sie, die bleierne Müdigkeit aus den Gliedern zu bekommen. Die Vögel zwitscherten unternehmungslustig, und Emma gähnte. Eine fast schlaflose Nacht war nicht gerade die ideale Voraussetzung für den ersten Drehtag des Lebens. Andererseits war sie auch beim Casting, nach der Sause mit Marie, völlig übermüdet gewesen. Und es hatte perfekt geklappt.
Vielleicht war das genau ihr Konzept als Schauspielerin. Sie war möglicherweise die erste Künstlerin, die nur mit einem ordentlichen Schlafdefizit zur Höchstform auflief. Intuitives Spielen, sozusagen aus dem Bauch heraus – das hörte sich doch fast nach Schauspielschule an. In Gedanken bastelte sich Emma bereits ihre neue Zukunft zurecht – die kleine Schneiderin als Pionierin der darstellenden Kunst. Diese Vorstellung nahm ihr ein wenig von ihrer Aufregung. Schließlich war für eine Trendsetterin so ein einfacher Werbedreh wirklich ein Klacks.
Nach einer ausgedehnten Dusche ging es ihr schon ein wenig besser, und sie fühlte, wie zumindest ein paar Kräfte wieder in ihren Körper zurückkehrten. Und zwei Tassen Kaffee später war sie bereit, in die Schlacht zu ziehen. Je eher es losging, desto schneller war es schließlich auch vorbei. Trotzdem musste sie noch etwa eine Viertelstunde wartend in der Wohnung sitzen, bis der Fahrer endlich klingelte. Seine forsche Art zu läuten ließ keinen Zweifel aufkommen, was ihr heute bevorstand – Widerstand zwecklos.
Bereits beim Einsteigen ins Auto erlebte Emma die erste Überraschung. Dass sie nicht die Einzige sein würde, die heute zu diesem Werbespot gefahren wurde, hatte sie erwartet. Dass sie aber den Wagen mit drei Halbwüchsigen teilen musste, die offensichtlich nichts Besseres zu tun hatten, als sich aus der ganzen Sache einen Riesenspaß zu machen, entsprach nicht gerade ihrer Wunschvorstellung. Während der gesamten Fahrt prahlten die Jugendlichen mit den vielen Filmen und Spots, die sie schon gedreht hatten. Emma hielt lieber den Mund. Was hätte sie zu diesem Thema auch beitragen sollen?
Nach einer guten Stunde Fahrt, in der sie sich unzählige Male fragte, warum sie sich das eigentlich antat, kamen sie endlich am Drehort an. Emmas Euphorie war wie weggeblasen. Fast fluchtartig verließ sie das Auto als Erste – und erlebte die nächste Überraschung. Diesmal eine angenehme. Vor ihr lag eine perfekte Idylle. Ein herrliches altes Bauernhaus inmitten grüner Wiesen und Felder. Davor ein riesiger Baum, der – für Anfang Mai doch etwas spät – herrlich blühte. Daneben befand sich ein rustikaler Holztisch mit passenden Stühlen und auf ihm eine Tonschale mit knackigen Äpfeln, ein hübscher Krug mit Wasser und ein weiterer mit einem Blumenstrauß in leuchtenden Farben.
Emma kam sich vor wie in einem ihrer Lieblingsfilme, sie konnte sich nicht sattsehen an den vielen Farben und Formen, die wie für ein klassisches Stillleben arrangiert schienen. Erst auf den zweiten Blick entdeckte sie daneben und dahinter ganz und gar unromantische Scheinwerfer. Sie beleuchteten die Szenerie von allen Seiten und sorgten dafür, dass trotz leicht bewölktem Himmel ein sonniges Licht auf den Tisch in der Mitte fiel. Alles machte einen sehr unwirklichen Eindruck. Kein Wunder – bei dem Aufwand, der hier offensichtlich betrieben worden war.
Die anderen Neuankömmlinge waren natürlich bei Weitem nicht so fasziniert wie Emma. Sie hatten ja schon genügend Filmproduktionen erlebt und bewegten sich wie selbstverständlich unter den Mitarbeitern der Filmproduktion, die schon seit einiger Zeit an dieser Idylle zu werkeln schienen. Die Frau, die alle in Empfang nahm, war höchstens Mitte zwanzig und hatte ein Headset auf. Sie schickte die vier Darsteller erst einmal zum Frühstücken an eine Art Buffet, das alle erdenklichen Leckereien bereithielt. Während die Jugendlichen hemmungslos und mit großem Appetit zugriffen, brachte Emma keinen Bissen hinunter. Sie nahm sich lediglich einen Orangensaft und sah den anderen beim Essen zu. Die drei jungen Leute plauderten, wie schon im Auto, fröhlich miteinander, mit ihr jedoch sprach keiner.
Wenig später wurden alle in das Bauernhaus zum Umziehen und anschließend »in die Maske« geschickt. In dem Raum, an dessen Tür ein Zettel mit der Aufschrift »Kostüm« hing, begegnete Emma dem dunkelblauen Baumwollshirt, dem
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