Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
um selbst bei Scheinwerferlicht eine ebenmäßige Optik zu gewährleisten.
»Finger weg«, keifte es da hinter ihr. Es war die Frau, die den Teller gebracht hatte. Schnell murmelte Emma eine Entschuldigung und zog schuldbewusst den Kopf ein. Die anderen Darsteller grinsten schadenfroh.
»Bitte mal hochschauen«, bat sie ein Mann mit Knopf im Ohr, und schon bekam sie wieder das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Aber es ging wohl lediglich um die richtige Ausleuchtung ihres Gesichts. Wie peinlich. Zum Glück hatte sie nichts gesagt.
Sie sah sich um. Der riesige Baum, der aus der Ferne so herrlich geblüht hatte, war aus der Nähe mit Plastikblüten besetzt. Was musste das für eine Arbeit gewesen sein! Kurz dachte sie an das Pailletten-Abtrennen in der Schneiderwerkstatt, so ähnlich geisttötend war es wohl, eine riesige Eiche mit Kunststoffblüten zu bestücken. Trotz ihrer inzwischen fast auf den Nullpunkt gesunkenen Stimmung war Emma beeindruckt. Hier hatte sie es mit wirklichen Profis zu tun. Ihre Nervosität steigerte sich zur Übelkeit. Denn sie war, wie hier immer deutlicher wurde, keiner. Leider.
Endlich kam David wieder zu ihnen an den Tisch. »Die Chefetage ist eingetroffen. Wir können loslegen«, verkündete er und verstärkte damit Emmas Brechreiz. Als sie kurz darauf die »Grauen Herren« vom »Fitting« wiedererkannte, wurde er noch schlimmer. Wieso mussten die denn unbedingt dabei sein? Ob sie Emma wohl wiedererkennen würden? Während die anderen Darsteller strahlten, wuchs Emmas Panik ins Unerträgliche.
Was tat sie eigentlich hier zwischen lauter namenlosen, unfreundlichen Menschen, die kaum ein Wort mit ihr sprachen? Wie sollte sie in dieser verkrampften Umgebung ganz locker einen dümmlichen Text aufsagen? Was wurde denn hier noch alles von ihr erwartet? Auf einmal kam Emma die bevorstehende Aufgabe schier unüberwindlich vor, und ihr Respekt vor den Leistungen einer Schauspielerin verzehnfachte sich auf einen Schlag.
»Wir machen erst einmal die Totale«, erklärte David, »das heißt für euch, dass ihr möglichst gut gelaunt am Tisch sitzt und diesen tollen Joghurt genießt. Jeder bekommt vom Food Designer einen Becher und einen Löffel und zelebriert das bitte richtig. Verstanden?«
Noch bevor einer der Angesprochenen antworten konnte, kam die Frau von vorhin zurück. Diesmal mit einem Tablett offener Joghurtbecher, in denen bereits je ein Kaffeelöffel steckte. Jeder Darsteller bekam einen davon in die Hand gedrückt, und schon rief David: »Alles okay, wir können drehen.«
Er lief zum Kameramann und ließ eine vollkommen verwirrte Emma zurück. Wie jetzt? Drehen? War es beim Film nicht üblich, dass vor dem Aufzeichnen einer Szene erst einmal geprobt wurde? Hier offensichtlich nicht, denn das gesamte Team wuselte aufgeregt um den Tisch mit den Darstellern herum.
Das war er wieder, der Ameisenhaufen. Endlich erkannte Emma, dass diese Art des Drehens offensichtlich doch ein bisschen etwas mit dem zu tun hatte, was sie vor einigen Wochen im Studio drei beobachtet hatte und was wohl Jo den ganzen Tag machte. Die Damen von der Maske kamen mit kleinen Plastiktäschchen in der Hand herbeigeeilt, aus denen sie ihre Puderdosen hervorholten. Mit geschickten Fingern drückte Lolo die Quaste überraschend sacht auf Emmas Stirn und Wangen und fuhr ihr anschließend damit noch einmal über das Kinn. Dann waren alle »drehfertig«, was auch von der Mittzwanzigerin, die sie bei der Ankunft in Empfang genommen hatte, lautstark verkündet wurde. Sie erledigte hier offensichtlich den Job, den Basti bei den »Amtlichen Gefühlen« innehatte.
Als alle, die nicht vor der Kamera zu sehen sein sollten, hinter ihr verschwunden waren und eine seltsame Ruhe einkehrte, bekam Emma eine Heidenangst. Was, wenn sie wieder etwas falsch machte und sich als blutige Anfängerin outete? Mit David und einem Kameramann allein in einem Raum war es schon schlimm für sie gewesen. Wie würde das erst hier vor versammelter Mannschaft sein? Was hatte er gesagt? Gut gelaunt den Joghurt genießen? Wie machte man das? Noch nie in ihrem Leben hatte sie gut gelaunt einen Joghurt genossen. Einen Rotwein oder einen Cocktail vielleicht. Eventuell auch ein Schnitzel oder eine Pizza. Aber einen Joghurt?
»Und – bitte«, hörte sie David rufen und wusste im gleichen Moment, dass dies das ultimative Kommando zum Loslegen war. Nun starrten alle Anwesenden auf sie und ihre pubertierenden Tischgenossen und würden alles, was
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