Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
auf. »Was?«, rief sie so laut, dass Emma schon befürchtete, die gesamte Familie käme ins Zimmer gestürzt. »Und warum erzählst du mir davon nichts? Und lässt mich Männer für dich suchen?« Sie packte Emma an den Schultern und drehte sie zu sich um. Nun war an Schlafen nicht mehr zu denken.
»Ich habe dich nie darum gebeten«, erwiderte sie jetzt ebenso laut, »und ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich deinen Holzfäller nicht will.«
»Er ist kein Holzfäller, sondern Landschaftsarchitekt. Das ist etwas ganz anderes.« Lisa war jetzt richtig sauer: »Und? Wie heißt dein Schwarm? Was macht er? Warum hast du ihn mir noch nicht vorgestellt?«
»Wir … Wir – sind noch in der Anbahnungsphase.« Emma hatte keine Ahnung, wie sie Lisa erklären sollte, was für eine Beziehung zwischen ihr und Jo bestand. Schließlich wusste sie es eigentlich selbst nicht so genau.
»Was heißt das denn?«, fragte Lisa prompt. Sie wollte sich offensichtlich nicht mit Floskeln zufriedengeben.
»Das erklär ich dir morgen«, erwiderte Emma, »jetzt bin ich einfach zu müde. Gute Nacht.«
Natürlich brachte Lisa das Thema am nächsten Tag wieder zur Sprache. Den ganzen Tag bis zur Rückkunft in Harlaching versuchte sie in jedem unbeobachteten Moment, Genaueres über den großen Unbekannten herauszubekommen. Doch jedes Mal erhielt Emma unbeabsichtigt Hilfe von Clara oder einem anderen Familienmitglied, sodass sie bis zum Abend nicht Farbe bekennen musste. Auf der Heimfahrt sang sie aus vollem Halse »Schöner fremder Mann« von Connie Francis und spürte die ganze Zeit über Lisas strengen Blick im Rückspiegel auf sich gerichtet.
Als sie zu Hause die Wohnungstür aufschloss, fiel ihr ein, dass in dieser Woche das Casting anstand. Nicht gerade eine verlockende Vorstellung. In ihrem E-Mail-Postfach fand sie eine Nachricht von Daniel; er hatte ihr zwei Szenen geschickt, die sie für das Vorsprechen am Dienstag vorbereiten sollte.
Daran hatte sie ja noch überhaupt nicht gedacht. Bei dem Werbespot war der Text kein Problem gewesen. Den kurzen, allseits bekannten Satz hatte sie sich ohne Schwierigkeiten merken können. Aber jetzt sollte sie in zwei Tagen fünf Seiten Text auswendig lernen – auch das noch.
Am besten, sie begann sofort damit. Auf der Stelle. Schließlich wollte sie sich auf keinen Fall vor Jo und Daniel blamieren. Von einem geruhsamen Sonntagabend vor dem Fernseher konnte also nicht mehr die Rede sein, und von einem Happy End aus der Konserve schon erst recht nicht. Im Moment musste sie an ihrem eigenen Glück arbeiten, und zwar mit allen vorhandenen Kräften und hoch konzentriert – da biss die Maus keinen Faden ab.
Noch bevor Emma ihre Reisetasche ausgepackt hatte, druckte sie die Filmszenen aus. Wie auf den ersten Blick zu sehen war, enthielten sie sehr viel Dialog und wenig Regieanweisungen, also viel Lernstoff. Verflixt und zugenäht – so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Zur Sicherheit las sie im Internet schnell noch ihr Horoskop für die kommende Woche durch. »Lassen Sie den Dingen ihren Lauf. Zu viel Planung könnte sich kontraproduktiv auswirken«, stand unter der Überschrift »Fische«. Und den Schützen wurde geraten: »Die kommende Woche stellt in der Liebe wichtige Weichen. Nutzen Sie sie!« Ach, wenn Jo doch Schütze wäre …
Die Dialoge waren so schwer zu lernen, dass Emma nach einer Stunde das Gefühl hatte, sie hätte keinen einzigen Satz auch nur zur Hälfte behalten. Mehrmals vergaß sie ihren Einsatz oder den Anfang der zu sprechenden Zeile, dann wieder deklamierte sie den Text, den eigentlich ihr Partner zu sagen hatte. Nach zwei Stunden gab sie entnervt auf und legte sich erschöpft ins Bett. Wenn ihr von zu viel Planung eindeutig abgeraten wurde, war jetzt vielleicht doch etwas erholsamer Schlaf das Richtige. Schließlich hatte auch Dornröschen auf diesem Weg ihren Traumprinzen gefunden. Wenn auch nicht in der eigenwilligen Version der Großmutter …
Am nächsten Tag war Emmas Panik umso größer. In der Mittagspause saß sie allein im Hinterhof in der Sonne und paukte ihre zwei Castingszenen. Da sie aber ständig Angst hatte, eine der Kolleginnen könnte sie dabei überraschen, war auch das nicht von Erfolg gekrönt. Und die Arbeit in der Schneiderwerkstatt litt ebenfalls unter Emmas Nervosität, was die Stichsäge natürlich mit deutlichem Missfallen bemerkte. Es war wirklich wie verhext – einen knappen Tag vor dem alles entscheidenden Termin konnte sie nicht
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