Verliebt, verlobt und eingesargt
besonders aus. Dort liegt zwar der Hauptfriedhof…«
»Vielleicht wohne ich da auch…«
Walter lachte. »Witzbold. Ich sage dir…« Er sah in das ernste Gesicht des Mädchens und hob die Schultern, bevor er sich seinem Salat widmete. Über das Thema sprach er nicht mehr weiter. Während er aß, beschäftigten sich seine Gedanken immer wieder mit der Tatsache, daß er nun verlobt war. Mit einer Frau, die er knapp zwei Stunden kannte. Er hatte bisher nicht einmal mit ihr geschlafen, aber das ließ sich ja nachholen.
Als er das Thema ansprechen wollte, machte sie ihm einen Strich durch die Rechnung. »Wir werden uns leider für die nächsten beiden Tage nicht sehen, Walter. Ich habe noch einiges zu erledigen, aber übermorgen komme ich zu dir.«
»Erst dann?« Seine Stimme klang enttäuscht.
»Ja. Kannst du noch so lange warten, bevor du mit mir schläfst?«
»Nun ja.« Er bewegte sich so, daß der aufgehängte Schalensitz ins Schaukeln geriet. »Ungern, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Ich auch. Aber was sein muß, muß sein. Dafür werde ich dir als Ausgleich eine Nacht bereiten, die du nie in deinem Leben vergessen wirst. Einverstanden?«
»Das muß ich wohl sein.«
»Nun ja, nicht so direkt, aber…«
»Ja, ich werde auf dich warten. Ich wohne in der Innenstadt. Ich schreibe dir mal meine Adresse auf.«
»Ja, gut…« Sie nahm den Zettel an sich. Danach blieb sie noch ungefähr zehn Minuten. Dann stand sie auf und sagte: »Tut mir leid, aber ich muß gehen.«
»Sehen wir uns wirklich erst…«
»Ja, übermorgen.« Susy nahm ihren Mantel, streifte ihn über und verließ fast fluchtartig das Lokal.
Walter Kissner starrte ihr nach, wie jemand, der aus einem tiefen Traum erwacht war.
Das mußte er alles geträumt haben, doch als er auf seine linke Hand schaute, sah er den Ring, und er hatte das Gefühl, als würde er Susys Gesicht innerhalb des schmalen Goldstreifens erkennen…
***
Verwirrt setzte er sich auf. Mein Gott, er hatte so intensiv an ihre erste Begegnung gedacht, daß er den Blick für die Realitäten verloren hatte. Und jetzt war es zwei Tage später. Auch schon früher Abend. Susy hatte ihm eine Nacht versprochen, die er nicht vergessen sollte. Sie war plötzlich bei ihm erschienen, hatte sich in seine Arme geworfen und ihm erklärt, daß nun alles geregelt wäre. Jetzt wartete er darauf, wie es weiterging.
Noch rauschte die Dusche. Er kam in Versuchung, die Tür zu öffnen und Susy beim Duschen zuzusehen. Seltsam, er tat es nicht. Zwar stand Walter auf, aber er trat ans Fenster und nicht an die Tür zum Bad. Draußen war es längst finster geworden. Die Straßenlaternen leuchteten in der klirrenden Kälte wie weißblaue Bälle.
Auch gegenüber stand eine Laterne. Dort bewegte sich ein Schatten durch die Lichtinsel. Ein Mann ging über den Gehsteig. Er war bärtig und trug einen blauen Mantel.
Walter erinnerte sich wieder an Susys erschrecktes Stillstehen, als sie den Juwelier verlassen hatten. Da war ihnen auch ein bärtiger Mensch im blauen Mantel über den Weg gelaufen. Ob die beiden vielleicht identisch waren?
Das konnte alles gut möglich sein. Andererseits gab es zahlreiche Männer, die Barte und auch blaue Mäntel trugen. Hinter den Laternen lag die Zeile der Reihenhäuser und jenseits davon ein Park. Walter Kissner besaß eine kleine Wohnung. Zwei Zimmer und ein schmales Bad. Es reichte ihm. Bisher hatten zahlreiche Mädchen dieses Bad kennengelernt, aber keine war so wie Susy gewesen. Sie hatte vor ihm gestanden und ihren schmalen Koffer abgestellt.
»Jetzt bleib ich bei dir«, hatte sie gesagt, als sie über die Türschwelle kam.
Alles weitere hatte sich ergeben.
Er schaute auf die Tür. Sie war noch geschlossen. Die Dusche rauschte, doch dieses Geräusch war es nicht allein, das durch die verschlossene Tür drang.
Er glaubte auch, ein heftiges Atmen oder Stöhnen zu hören, was ihn mißtrauisch werden ließ.
Walter ging zur Tür. Er wollte sie nicht öffnen, nur horchen, ob er sich nicht getäuscht hätte.
Nein, das hatte er nicht. Er vernahm ein keuchendes Stöhnen, als wären zwei Menschen ineinander verschlungen. Sogar kurze spitze Schreie vernahm er, und über seinen Rücken rann eine Gänsehaut. Versprechen hin, Versprechen her. Er hatte Susy zwar gesagt, nicht das Bad zu betreten, solange sie duschte, aber diese ungewöhnlichen Laute warfen seinen Vorsatz über den Haufen. Sie konnten einfach nichts Gutes zu bedeuten haben.
Deshalb öffnete er und klopfte
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